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Margo Price: Strays – Mit dem Fleisch der Götter

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Von: Olaf Velte

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Margo Price vorm teilnahmslosen Wolkenhimmel. Foto: Alysse Gafkjen
Margo Price vorm teilnahmslosen Wolkenhimmel. Foto: Alysse Gafkjen © Alysse Gafkjen

„Strays“: Country-Elfe Margo Price badet im Softrock und halluziniert ein neues Album.

Richtungswechsel erfordern manchmal rabiate Mittel. Sich in einem angemieteten Bungalow tagelang pilzbasierten Halluzinationen hinzugeben, bietet Möglichkeiten. Country-Elfe Margo Price hat die Prozedur gemeinsam mit ihrem Bandmitglied und Ehepartner Jeremy Ivey durchgestanden, nebenher den Klängen von Janis Joplin, Joni Mitchell, Patti Smith gelauscht.

Überstanden sind jetzt angeblich Trunksucht und Depression, gewonnen wurden Selbsterkenntnis und das neue Album „Strays“ – das nunmehr vierte der nahe des Mississippi River aufgewachsenen Songschreiberin. Ein Vergnügen der abwechslungsreichen, zuweilen zweifelhaften Art. Wer hätte erahnen können, dass die zauberischen Pilze, dieses Fleisch der Götter, umstandslos ins Jahre 1977 und zu Fleetwood Macs „Rumours“ geleiten? Auf 46 Minuten Lauflänge steigen sie in schöner Regelmäßigkeit herauf, die Geisterweisen des sanften, zartbitteren Wohlklanges.

Es beginnt mit einer der besten Rock-Nummern des jungen Jahres. „Been To The Mountain“ wird von Orgel und E-Gitarre auf mehr als fünf Minuten und in ein packendes, süffig getürmtes Jam-Finale getrieben. Erster Akt eines auf Neuorientierung ausgerichteten und mit lyrischen Schmucksteinen gepflasterten Heilsweges. „I’ve been a dancer a saint an assassin / I’ve been a nobody, a truck driver shaman / so many seasons that I’ve been adrift / sometimes I wonder if I even exist.“

Wie im von Kastagnetten und Gastsängerinnen veredelten „Hell In The Heartland“ dräut es allenthalben, ziehen Dunkelheiten durch jedes Stück. Doch die 39-jährige Price wird nicht alleine gelassen in ihrem Kampf um Licht und Klarheit – groß ist die Besetzung, kaum überschaubar das tönende Arsenal aus Cembalo, Kuhglocke, Wurlitzer, Violine und jeder Art von Saitengerätschaften. Nein, „White Trash, Trailer Trash“ soll nicht die Oberhand gewinnen, nicht die weltwunde Seele auf ewig verdammen.

Das Album

Margo Price: Strays. Loma Vista – Concord / Universal Music.

Ein schönes Lied ist „County Road“ in seiner balladesken, auf Pedal Steel-Schwingen wispernden Sehnsucht – trotz eines verstörenden Kate-Bush-Auftaktes. Es genügt schon die Zeile „Remember when we got drunk that time in Ontario / listening to Warren Zevon on the stereo“, um der Nashville-Tragödin eine Passage auf der unsinkbaren Traumfähre des Rock’n’Roll zu sichern. Sie lässt sich auf „Strays“ durch Psychedelic, Blues und Folk navigieren, badet ausgiebig im Softrock einer längst verloren gegebenen Epoche.

Aufgenommen wurde dort, wo Neil Young einst sein „After The Goldrush“ eingespielt hat, wo Uschi Obermeier und Bob Hite wohnen durften. Topanga Canyon muss der gottesfürchtigen Streunerin – „you belong to no one“ ist trotzige, in den Leib tätowierte Botschaft – den Rest beschert haben. Schlage das Booklet auf und siehe.

Rot wie Sandstein ruht die wüste Landschaft, ein teilnahmsloser Wolkenhimmel steht darüber, keinerlei Getier, Gewächs, Gewässer. Nur Lady Price stemmt sich gegen die umgebende Ödnis, irrsinnig blau ist ihr fransenbesetzter Hosenanzug, herrlich und bunt jubilieren die aufgestickten, die magischen Pilze. In „Landfill“, ihrem so versöhnlichen Schlussstück, heißt es: „I put myself in my own painting / those mournful blues and a blood red rose / and though the picture’s always changing / you can’t change how the story goes.“

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