Lose Enden werden neu verknüpft
Bohrend konsequent, irrsinnig spannend: Hauschka mit seinem Prepared Piano beim Konzert in Frankfurt.
Von John Cage ist der Satz überliefert, es gelte, „das akademisch verbotene, nichtmusikalische Klangfeld, soweit dies manuell möglich ist, zu erforschen“. Cage war ein Forscher und Aufbrecher, einer, der mit Klängen und Formen experimentierte, bis von ihrem Ursprung nicht mehr viel übrig blieb. In seinem Geist agiert auch der Pianist und Komponist Volker Bertelmann, der weit besser bekannt ist unter seinem Pseudonym Hauschka. Er gab es sich einst in verschrobener Erinnerung an den böhmisch-österreichischen Komponisten Vinzenz Hauschka.
Wie Cage präpariert Hauschka seinen Flügel im Frankfurter Palmengarten mit willkürlich anmutenden Gegenständen. Er drückt Lederfetzen, Filzstücke oder Gummi zwischen die Saiten, verbindet diese dann wieder mit einem Klebeband, umwickelt die Hämmer mit Alufolie. Hauschka macht das, weil er das Klavier liebt, seinen Klang aber zu ausgereizt findet, zu nah dran an abrufbaren Klischees – die gedämpfte Melancholie einer Klavierballade etwa kann der 50-Jährige nicht ausstehen. Nichts hier hat eine romantische Klanganmutung, viele Töne klingen wie abgewürgt, auf ihren perkussiven Kern reduziert.
Hauschka baut das Klavier um zu einem kleinen Orchester, mit Rhythmus-, Bass- und Melodiestimme. Links und rechts thronen noch zwei offene Klaviere, die er fernsteuert, wie er ohnehin seine stark repetitive Musik noch zusätzlich elektronisch verfremdet, loopt und erweitert. Viele lose Enden der Musikgeschichte werden hier neu verknüpft: die Minimal Music von Steve Reich und Philip Glass, die Experimentierlust von La Monte Young oder John Cage, jahrhundertealte isorhyhtmische Strukturen, die Polyphonie Bachs, aber auch Hauschkas eigenes Wissen als Produzent von Minimal Techno für so wichtige Labels wie Kompakt.
Das ist irrsinnig spannend zu hören. In den besten Momenten entwickelt die Musik eine hypnotische Sogkraft, die von dem weichgespülten Geklimper der gerade landauf, landab so gefeierten Neo-Klassik meilenweit entfernt ist. Mit bohrender Konsequenz denkt sich Hauschka, dessen Filmmusik zum Kinodrama „Lion“ ihm gerade eine Oscar-Nominierung einbrachte, in die Musik hinein, wobei das Material seines neuen Albums „What if“, das er nach der Pause spielt, filigraner wirkt, offener in Form und Klang, mithin auch ereignisärmer. Zum Schluss dann entfernt er nach und nach alle Präparationen aus dem Klavierinneren. Bis man nur noch das hört, womit Hauschkas Reise einst begann: einen reinen, strahlenden, wohltemperierten Klavierakkord.