Liederabend in der Oper Frankfurt: Die andere Frau

Katharina Konradi und Ammiel Bushakevitz beim Liederabend in der Oper Frankfurt
Auch wenn Liedgesang kein Rollenspiel sein muss, zeigte sich im Frankfurter Opernhaus jetzt doch wieder eindrucksvoll, was für einen erheblichen Unterschied es macht, wer da singt. In Robert Schumanns und Joseph von Eichendorffs „Waldesgespräch“ (im Liederkreis op. 39) sind die Textteile fair auf den Wanderer und die Loreley verteilt. Die vertraute Hörperspektive ist gleichwohl die des sich grausenden Mannes.
Die Braut, die weinet
In der Darbietung der Sopranistin Katharina Konradi drehte sich das komplett um, auftrumpfend natürlich die Frauenstimme, beiläufig der arme Wicht dort unten, für den sich L. im Einzelnen nicht interessiert. Und ohne sein Selbstmitleid ist nun gar keines mehr übrig, also kein Mitleid mehr. Konradi spart es sich zum Beispiel für die Schlussvolte von „Auf einer Burg“ auf und gibt der Braut, die weinet, eine selten zu erlebende Wendung ins unsentimental Ernste. Alles melancholisiert vor sich hin, dann bemerkt die Sängerin die Tränen der anderen Frau.
Noch offensichtlicher wird es in Clara Schumanns „Lorelei“, die Heinrich Heines Gedicht ins Aggressive treibt. Tod und Graus regieren hier, Clara Schumann und Katharina Konradi lassen es uns hören. Die Lorelei, wenn man sie ausnahmsweise einmal als Frauenfantasie versteht, ist hart drauf, keinesfalls passiv, und Konradi, die auch eine wunderbare Bühnenpräsenz hat, gibt ihr einen Dreh ins Tückische und Eiskalte. Dabei lächelt sie sonst so nett und ist gewissermaßen ein „Freischütz“-Ännchen, das man freilich nie unterschätzen sollte.
Die aus Kirgistan stammende Katharina Konradi schleicht sich aber auch raffiniert an den dramatischeren Teil des Programms an. Ihr Auftritt an der Seite des feinsinnigen Pianisten Ammiel Bushakevitz beginnt mit einem Mozart-Schubert-Mozart-Schubert-Teil, nach der Pause (Robert)-Schumann-(Clara)-Schumann. Der Abend gehört insofern zum laufenden Frankfurter „Mainly Mozart“-Festival. Leicht gehen ihre seine Lieder von der Hand, die gemütliche „Zufriedenheit“, die doch recht unsympathische „Warnung“, „Sperrt die Zuckerplätzchen ein! Sperrt die jungen Mädchen ein!“, na ja, aber Mozart und Konradi sind da ganz cool und kühl.
Großartiges Veilchen
Als Tüftlerin zeigt sich Katharina Konradi im großartig durchgearbeiteten „Veilchen“. Drei Luisa-Songs, zwei von Mozart und einer von Schubert, erzählen überaus facettenreich (das Tragische neben dem Parodistischen) von Trennung und Liebesschmerz, ein fabelhaftes Feld für Konradi.
Ihre Stimme ist immer noch leicht bis ins Soubrettenhafte, aber so nuancenreich, dass sie auch ohne Spott und Ironie in fahle, düstere Gefilde vorstoßen kann. Und neben rareren Nummern auch Schumanns Liederkreis op. 39 vortragen kann, ohne die zahllose Konkurrenz fürchten zu müssen.
Das musste auch Clara Schumann nicht, aber sie bekommt selten eine Chance. Hier schon. „Sie liebten sich beide“ auf einen Heine-Text: modern in allen Belangen.