Lael Neale: „Star Eaters Delight“ – Mit Tränen in den Frühling

Melancholisch, poetisch, überirdisch schön: Lael Neale und ihr Album „Star Eaters Delight“.
Nein, nein, eine grundlegende Neuerfindung ihrer selbst ist das nicht. Zugleich lässt sich nicht von Wiederholung sprechen. Ihr favorisiertes Instrument, das Omnichord, spielt Lael Neale auch auf „Star Eaters Delight“ wieder, ihrem dritten Album. Wie schon auf „Acquainted With Night“ (2021), dem vorhergehenden, haucht es dem Songwriterfolk der auf einer Farm in Virginia aufgewachsenen und nach einigen Jahren in Los Angeles wieder dort lebenden Musikerin eine ganz besondere Poesie ein. Doch längst nicht mehr so durchgängig wie zuvor, Gitarre und Klavier spielen nun eine größere Rolle.
„Acquainted With Night“ war noch von Langsamkeit geprägt. Hier nun steht mit der Nummer „I am the River“ gleich am Anfang eine beschwingte Poppigkeit mit einem treibenden Beat, der Assoziationen zum New Wave weckt. Samt einem charakteristisch ohrwurmhaften „Paddapaddaddapa“.
Die Musik von Lael Neale ist von einer nachgerade überirdischen Schönheit aus dem Geist der Schwermut. Abgesehen vom verzaubernden Klang des Omnichords – einer Anfang der achtziger Jahre entwickelten Mischung aus elektronischer Orgel, Harfe und Beatmaschine – hat das vor allem auch mit Lael Neales herzerwärmendem Folkgesang zu tun. Weltflüchtig wirkt das in einem romantischen Sinn. Dass Neale entgegen dem Zug der Zeit kein Smartphone besitzt und gerne Briefe schreibt, passt ins Bild. Dem Lo-Fi-Sound, auf den sie sich nach dem eher überproduzierten Debüt „I’ll Be Your Man“ (2015) verlegt hat, ist sie treu geblieben: Das ist wiederum ein Album mit ausgeprägtem DIY-Touch, doch haben Neale und ihr Produzent Guy Blakeslee ihn überarbeitet und für eine Spur mehr Schliff gesorgt. Behutsam freilich, so dass Eigenart und Charme nicht verlorengegangen sind. Vier-Spur-Kasettenrekorder muss sein, auch diesmal wieder.
Gerne greift Lael Neale auf biblische Motive und überlieferte Mythen zurück. „Oh brother, sinner, savior sent/To teach us how to love again/Your shadow is no enemy/Your darkest heart is the light we could be“, gehen die Zeilen in „If I Had No Wings“. Bei der Acht-Minuten-Nummer „In Verona“ handelt es sich – wen wundert’s – um eine Songerzählung nach Shakespeares „Romeo und Julia“.
Das Album
Lael Neale: Star Eaters Delight. Sub Pop/Cargo.
Vielleicht auch Ironie?
Ein Moment von Entrücktheit schwingt in der melancholischen Musik von Lael Neale immer mit. Das ist nicht wirklich verstiegen, vielmehr eine Pop-Inszenierung mit einer gewissen Distanz. Handelt es sich womöglich auch um Ironie? Denn die harte, selbstzerstörerische Droge, in die sich das lyrische Ich in dem flehentlichen „Return To Me Now“ flüchtet – ist Schokolade. Die Heimeligkeit hat jedenfalls ihre Brüche und wird daher nicht klebrig und auch nicht esoterisch.
Doch die Melancholie bleibt ein treuer Begleiter. „There Must Be Tears“ – das gilt selbst noch bei der Begrüßung des Frühlings.