Kraftvoll, schnell, überwältigend

Der virtuose Joe Bonamassa, zweimal in Frankfurt.
Ganz zum Schluss zaubert Joe Bonamassa endlich. Lässt Töne aufscheinen wie aus dem Dunst einer Fata Morgana, lässt Flageolett-Noten jammern und zeigt, wie intim er seine E-Gitarre auch jenseits von Power-Riffs und Hochgeschwindigkeitsgefuddel beherrscht. Das Publikum in der Jahrhunderthalle steht von den Sitzen (Unsitte: Saal komplett bestuhlt) auf und jubelt.
Bonamassa hat das Konzert mit vier neuen Songs eröffnet. Das kann sich trauen, wer eine treue Fangemeinde hat. Aber selbst die wird nur langsam damit warm. Das kann aber auch am Sound liegen, der zu Beginn hart und wenig transparent rüberkommt. Das wird im Verlauf des Abends besser.
Die dichten Arrangements sind auch keine leichte Aufgabe für die Tontechniker. Anthony Fig, 29 Jahre lang Drummer in David Lettermans Late-Night-Show, Michael Rhodes, Session-Bassist bei so unterschiedlichen Hochkarätern wie Mark Knopfler, Elton John und Willie Nelson, und Reese Wynans, Keyboarder beim für Bluesfans legendären Stevie Ray Vaughan bis zu dessen Tod, an E-Piano und Leslie-verstärkter Hammond bilden den Kern. Je zwei Bläser und Background-Sängerinnen fetten den Sound stark an – letztere mit viel Ah und Oh zu Bonamassas passablen Vocals.
„Ich habe den beiden viel zu verdanken, die wissen im Gegensatz zu mir, wie man Töne trifft“, spottet Bonamassa selbstironisch in einer seiner wenigen Ansagen. Das ist zwar Understatement, aber es stimmt schon: Bonamassas Stimme ist es nicht, die an zwei Tagen hintereinander die Jahrhunderthalle füllt. Es ist seine Gitarre. Er gilt mit gerade mal 40 Jahren – jung für Blues-Maßstäbe – als einer der besten seiner Zunft. Kein Wunder: Er war gerade mal elf, als er bei Danny Gatton Gitarre lernte. Mit zwölf eröffnete er Konzerte für B. B. King, und noch als Teenager gründete er mit den Söhnen von Miles Davis, Robby Krieger (The Doors) und Berry Oakley (Allman Brothers) eine Band namens Bloodline.
Bonamassa hat den Blues von der ersten seiner zahlreichen Platten an aus der Puristen-Ecke geholt. Dafür kreuzt er hemmungslos die Stile, hat sich von Clarksdale, Mississippi weit auf den Weg nach Chicago und darüber hinaus begeben. Von Led Zeppelin hat er Songs im Repertoire, mit dem zeitweiligen Sänger und Bassisten von Deep Purple, Glenn Hughes, spielt er in der Hardrock-Supergroup Black Country Communion.
Sein Spiel setzt denn auch öfter auf Kraft als auf Eleganz, auf Geschwindigkeit statt auf Swing, auf Überwältigung statt auf Emotion. Technisch brillant ist es immer. Wie einst Albert King – auch von ihm hat er zwei Songs auf der Setlist – baut er seine Soli meist aus wenigen, hohen Noten, nutzt starkes Bending und lässt die Marshall-Amps kreischen.
Lang ist der Abend nicht in der Jahrhunderthalle, nach knapp zwei Stunden ist mit Leon Russels „Hummingbird“ als Zugabe Schluss.