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Auf Klangraumpatrouille mit Commander Carpenter

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Von: Bernhard Uske

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Der Organistenstar experimentiert, brilliert und röhrt in der Alten Oper Frankfurt auf dem totalen Instrument.

Orgelkonzert bei Pro Arte im Großen Saal der Alten Oper Frankfurt – und die Königin der Instrumente hinter der Podiumswand unsichtbar gemacht. Das war das Statement eines Organistenstars aus der Generation der Digital Natives. Jener, die mittels elektro-algorhythmischer Aktivität sich die alte analoge Welt ins beliebig Veränderbare erweitern. Cameron Carpenter residiert wie ein Commander im fünfmanualigen Cockpit auf Klangraumpatrouille. Der Zuhörer wird zu einer Fahrt mitgenommen. Tatsächlich in nahezu kosmischem Ausmaß, verglichen mit dem, was hier sonst geboten wird.

Quelle dieser raumweitenden und -fokussierenden, zu urknallreifen Detonationen und protuberanzenstarker Brillanz sich steigernden Erlebnisse sind eine Menge von Lautsprecherbatterien. Teils kobaltblau angestrahlt, wurden sie um das Podium herum verteilt, gespeist aus dem riesigen Spieltisch, der eine Art Hyper-Synthesizer ist. Die traditionelle Orgel, die selber schon in ihrer Entwicklung immer mehr Orchesterelemente adaptiert hatte, wird hier als digitale Schöpfung zum totalen Instrument. Letztlich das klassische Orchester samt seiner Orgel ersetzend.

Noch klingt manches Bassfundament zu hohl und röhrend, ist manche Klangkrone spitz und flach wie eine Kino-Orgel à la Wurlitzer. Aber die Beweglichkeit des bruchlosen Wechsels vom Größtem zum Kleinsten, vom Flächigsten und Weichen zum Zuschlagenden und Rauen war faszinierend.

Weniger war das die Interpretation von Francis Poulencs d-Moll-Orgelkonzert von 1938. Für Carpenter war die Versuchung zu groß, jeder Phase des sehr pointierten und doch sublimen Werks etwas Großartiges, Markantes oder Grelles abgewinnen zu wollen. Die begleitende Academy of St Martin in the Fields schien sich auf solche Äußerlichkeiten eingelassen zu haben: mehr Holzschnitt als fein durchgearbeitete Gravur.

Ein 2013 entstandenes Memorial auf Benjamin Britten von Sally Beamish korrespondierte gut mit Brittens eigenen Frank-Bridge-Variationen von 1937. Hier, wo das Orchester unter seinem Konzertmeister Tomo Keller nicht das analoge Anhängsel der totalen Klang-Maschine war, zeigten sich auf einmal wieder die Qualitäten von Raffinesse und Witz. Kurz: ästhetische Intelligenz. In drei von Daniel Powers arrangierten Gershwin-Liedern brillierte Carpenter und erst recht bei den Zugaben, wobei besonders Stücke von Bach einem in den Händen und Füßen Carpenters wie zirzensische Brocken um die Ohren flogen.

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