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„Kiezpalast“ mit Ulrich Tukur – Frankfurts friedliche Unterwelten

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Von: Volker Schmidt

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Ulrich Tukur als Moderator im „Kiezpalast“ in der Alten Oper Frankfurt. Foto: Sascha Rheker
Ulrich Tukur als Moderator im „Kiezpalast“ in der Alten Oper Frankfurt. Foto: Sascha Rheker © © Alte Oper/Sascha Rheker

„Kiezpalast“ heißt ein neues Format in der Alten Oper mit dem hr-Sinfonieorchester – zum Auftakt mit Ulrich Tukur.

Die Scheiße.“ Hans Magnus Enzensbergers Ode dieses Titels gehört zu den Höhepunkten des Konzertabends zum Thema Unterwelt in der Alten Oper Frankfurt – „von weicher Beschaffenheit / und eigentümlich gewaltlos / ist sie von allen Werken des Menschen /vermutlich das friedlichste“. Willkommen im „Kiezpalast“, willkommen bei Ulrich Tukur und dem hr-Sinfonierochester.

Wobei die Buchstaben diesmal nicht für den Hessischen Rundfunk steht, sondern für „Hades-Reisen“. Katakomben und Höhlen, Friedhöfe und Bergwerke sind das Thema. Mit dem neuen Format „Kiezpalast“ wollen Alte Oper und hr-Orchester fortan einmal pro Spielzeit „Stil, Charme, Nostalgie und Nonsens“ mischen.

Eher wort- als geistreich

Die Premiere der Revue bietet mehr Klamauk als Nonsens, ist eher wort- als geistreich, mit Google-Informationen zur Länge des Frankfurter Abwassersystems und Anekdoten über die Verwesungsprozesse italienischer Nonnen. Tukur kommt trotz offensichtlicher Blicke auf mehrere Teleprompter öfter ins Schwimmen, als man es vom Großschauspieler erwarten würde.

Musikalisch allerdings trägt das Thema Unterwelt. Zumal das – karnevalistisch von Bauhelm bis Mephisto-Cape gewandete – hr-Sinfonieorchester unter Roland Kluttig es breit interpretiert: Respighis „Pini presso una catacomba“ aus den „Pini di Roma“, Wagners „Abstieg nach Nibelheim“ aus dem „Rheingold“, „Unten: Die arbeitenden Menschen“ aus Gottfried Hupperts Filmmusik zu Fritz Langs „Metropolis“, um nur die ersten drei Stücke zu nennen.

Die Musikauswahl ist so clever, wie Tukurs Moderationen es gern wären. Zwischen Beliebtem wie Griegs „In der Halle des Bergkönigs“ und Mussorgskys „Catacombae“ aus „Bilder einer Ausstellung“ verstecken sich Nummern, die sonst nur ein kleines Avantgarde-Publikum finden, Schönbergs „Drohende Gefahr“ etwa oder Heiner Goebbels’ „In the basement“ für Klarinette, Klavier und Zuspielband – öffentlich-rechtlicher Bildungsauftrag in charmant.

Einige naheliegende Unterweltmusiken handelt das Orchester als Medley aus Mozart, Liszt, Berlioz, Mahler, Strauss, Strawinsky und Saint-Saëns ab, setzt den „Tanz der Furien“ aus Glucks „Orpheus und Eurydike“ drauf. Ulrich Büsing hat mit einer solistischen Kontrabassklarinette seinen tiefststimmigen Auftritt und leitet über in die Luftschutzbunker des Zweiten Weltkriegs. Es wird etwas gehaltvoller, sogar nachdenklich. Ein Reisegrammophon spielt eine Schnulze.

Am Klavier und der Harmonika überzeugt Tukur mit Chansons von Hollaender, Brecht/Weill, Eisler und Gert Wilden, auch einige Rezitationen funkeln. Mehr davon, weniger Wikipediawissen – und das Konzept kann aufgehen. Dann schadet auch das Mitklatsch-Finale im Konfettiregen mit Jacques Offenbachs „Can-Can“ aus „Orpheus in der Unterwelt“ samt beinschwingender Tänzerin nicht.

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