Kateryna Kasper und Dmitry Ablogin in Frankfurt: Hör ich das Liedchen klingen

Ein deutsch-ukrainisch-russisches Programm mit der Sopranistin Kateryna Kasper und dem Pianisten Dmitry Ablogin in der Villa Bonn in Frankfurt.
Jenseits der naiven, ignoranten oder listigen und fast immer nur in nützlichen Momenten hervorgeholten Ansicht, Künstlerinnen und Künstler hätten mit Politik nichts zu tun, sang Kateryna Kasper, Sopranistin an der Oper Frankfurt, ein romantisches und kluges, europäisches, deutsch-ukrainisch-russisches Programm. Zwischen Robert Schumanns „Dichterliebe“ und einer Auswahl ukrainischer Lieder erzählte sie von der Videonachricht, die ihr Vater ihr vor einem Jahr aus Mariupol geschickt habe: Wie sie sehe, sei in der Stadt alles ruhig, sie solle sich keine Sorgen machen.
Ein ganz besonderes Konzert ohnehin: Kasper war zu Gast in der Villa Bonn bei der Frankfurter Robert-Schumann-Gesellschaft: Salonatmosphäre mit einer Stimme für die große Opernbühne – derzeit als Angelica in Händels „Orlando“ zu erleben –, am Flügel ihr russischer Kollege Dmitry Ablogin. Beide boten einen gepflegten Umgang mit der Raumgröße, die ja zugleich viel mehr einer originalen Musiziersituation entspricht als die Riesensäle, in denen man eine „Dichterliebe“ heute zu hören bekommt. Denn natürlich wollen da immer alle dabei sein, in der Villa Bonn saßen sie die Treppe hoch.
Der Zyklus auf Heinrich Heines Gedichte wird meist von Männerstimmen gesungen. Kaspers nuancierter, weit schwingender und in den expressiv gestalteten Tiefen immer reizvoller werdender Sopran gab den vertrauten Nummern aber eine sogar überdurchschnittliche Abgründigkeit und eigene Schwere. Es war eine tiefe Melancholie, die Schumann mit den ukrainischen Komponisten verband. Ablogin derweil sehr zurückhaltend und lauschend, vor allem im Schumann-Teil.
Die spätromantische Linie
Mykola Lysenko, Vasyl Barvinsky, Stanyslav Lyudkevych, Yakiv Stepovy und Serhiy Bortkevych: Musikalisch zeigte sich eine spätromantische Traditionslinie mit Lysenko (1842-1912) als eine Art väterlichem Vorbild. Musik mitten aus Europa auch dies, dazu sechs Schicksale: Lysenko beispielsweise, der darauf bestand, seine Oper „Taras Bulba“ ausschließlich auf Ukrainisch aufzuführen, was zur Folge hatte, dass sie zu Lebzeiten nicht auf die Bühne durfte (Tschaikowsky hatte sich interessiert gezeigt). Oder Barvinsky (1888-1963), der 1948 zu zehn Jahren Gulag verurteilt wurde. Seine weitgehend verloren gegangenen Werke konnten nur teilweise rekonstruiert werden – von ihm auch die Zugabe, ein zärtliches „Wiegenlied“.
Bortkevych (1977-1952), der in Wien Karriere machte, stellte sich mit impressionistischen Paul-Verlaine-Vertonungen vor. Auch der Russe Nikolai Medtner (1880-1951), dem der letzte Abschnitt gewidmet war, blickte über den Tellerrand und vertonte neben Versen von Puschkin Goethe- und Eichendorff-Gedichte. So zeigte sich eine vielsprachige Künstlerverständigung. Eichendorffs „Winternacht“ wird man selten so fahl gehört haben wie in Medtners Version und mit Kaspers hierfür nachgerade vereisender Stimme.