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Jungle: „Loving in Stereo“ – Mit den Tricks von heute

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Von: Stefan Michalzik

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Die zwei von Jungle.
Die zwei von Jungle. © Anna Victoria Best

Discosoul mit allen Schikanen: „Loving in Stereo“, eine federleicht wirkende Tüftelarbeit des Londoner Duos Jungle.

Die Titel lesen sich wie die von Songs aus der siebziger Jahren. „Dry Your Tears“. „Keep Moving“. „Lifting You“. „Can’t Stop the Stars“. Auch musikalisch bezieht sich das Londoner Produzentenduo Jungle auf den Disco-Hedonismus von damals, aber keineswegs eins zu eins.

Am Anfang, so Jungle in einem Interview, habe die Frage gestanden: Wie klänge ein Soulsong aus den sechziger oder siebziger Jahren, hätte er schon den Disco- oder Garage-House-Vibe gehabt. Auch eine Band aus den fünfziger Jahren, die spielte, als wüsste sie schon, wie dereinst Dance-Tracks oder eine 808-Drum-Machine klingen werden, hatten Josh Lloyd-Watson und Tom McFarland im Sinn. „Musik von früher, die schon die Tricks von heute draufhat.“

Wie schon auf den beiden vorhergehenden Alben ist es der für Jungle charakteristische zweistimmige Falsettgesang, der einen großen Teil der Nummern prägt. Wiederzuerkennen ist auch eine Art Samplingprinzip ohne tatsächliches Sampling (von einer Ausnahme abgesehen). So wenig es sich bei Jungle um ein Originalklangensemble handelt, angesichts des Gesangs kommen einem doch sofort Marvin Gaye und Curtis Mayfield in den Sinn. Und die Stimme von Lydia Kitto, Gast in „Keep Moving“ und dem Vorabsingle-Hit „All Of the Time“, erinnert ein wenig an jene von Diana Ross. Im beschwingten „Romeo“ hat der New Yorker Rapper Bas einen Gastauftritt.

Das Album

Jungle: Loving in Stereo. Caiola/Rough Trade.

Song, Sound, Message

„Egoless“, frei von Ego, sollen der musikalische Schaffensprozess wie auch die Präsentation der Musik nach eigenem Anspruch sein. Wie wirklichkeitsnah das ist, sei dahingestellt – die Idee lehnt sich jedenfalls an den ursprünglichen Gedanken der Technokultur an, demzufolge die Künstler hinter ihrer Kunst verschwinden sollen. Um den Song gehe es, um den Sound und die Message, hat Josh Lloyd-Watson einmal gesagt.

Um die beiden Produzenten mehr oder weniger lose versammelt ist ein Kreis von Musikern und Musikerinnen. So hat zum Beispiel Inflo von der befreundeten Londoner Discosoulband Sault an einigen der Nummern auf „Loving in Stereo“ mitgewirkt. Der Bandname Jungle ist im Zusammenhang mit dem Londoner Stadtviertel Shepherd’s Bush und seinem multikulturellen Charakter zu sehen, in dem die beiden Kindheitsfreunde aufwuchsen.

Zum werkrelevanten Hintergrundklatsch gehört der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Entstehung des Albums mit dem ironischen Titel „For Ever“ (2018) Lloyd-Watson und McFarland gerade Trennungen hinter sich hatten. Von Ausnahmen abgesehen, verströmt die Musik auf „Loving in Stereo“ – beide sind inzwischen wieder liiert – ein Gefühl von Unbeschwertheit und von Freiheit.

Sinn für die große musikalische Inszenierung prägt die Songs. Da tauchen Streicher und Synthies auf, teils auch Bläser. „Just Fly, Don’t Worry“ ist eine federleichte Easy-Listening-Ballade, „Can’t Stop the Stars“, die finale Nummer, zeichnet sich durch eine geradezu euphorische Stimmung aus. So raffiniert ausgetüftelt das alles ist, es wirkt ebenso unaufdringlich wie mitreißend.

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