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Julia Fischer in der Alten Oper: Wechselhafte Klangtemperaturen

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Von: Bernhard Uske

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Julia Fischer und die Academy of St Martin in the Fields waren zu Gast in der Alten Oper Frankfurt - hier einmal mit poetischer Seifenblase!
Julia Fischer und die Academy of St Martin in the Fields waren zu Gast in der Alten Oper Frankfurt - hier einmal mit poetischer Seifenblase! © Monika Müller

Die Geigerin Julia Fischer und die Academy of St Martin in the Fields, ebenbürtig brillant in der Alten Oper Frankfurt.

Julia Fischer beim Pro-Arte-Konzert in der Alten Oper Frankfurt bot Gelegenheit, sich des Maßstabs geigerischer Kompetenz zu versichern. Mit einem Spiel, das höchste Präzision in der Handhabung von Fingerfertigkeit und Bogenführung besitzt und mit seinem unprätentiösen und funktionellen Habitus die Werke profiliert. Die 38-Jährige trat mit der Academy of St Martin in the Fields auf. In klassischer Solistinnen-Positur dem Ensemble vorstehend und auch vom ersten Pult aus die Klanggeschicke leitend.

Wolfgang Amadeus Mozarts einsätziges Mini-Violinkonzert (Rondo C-Dur KV 373) und Schuberts Rondo A-Dur D 438 waren die echt solistischen Auftritte. Energische, dem smarten Ton des einen, dem ins Volkstümlich-Tänzerische gehenden des anderen angemessene Artikulationen, die sich auch bei den großformatigeren Werken Benjamin Brittens („Variations on a Theme of Frank Bridge“ op. 10) und Dmitri Schostakowitschs (Kammersinfonie c-Moll op. 110a) ergaben.

Hier, wo die Solostimme nurmehr zu einem Teil des Tutti wurde, war der beherzte Zugriff Julia Fischers besonders nachdrücklich. Man hatte bei dem Werk des 24-jährigen Britten den Eindruck einer gut zwanzigfachen Fischer-Vermehrung, so nahtlos war das Spiel der Academy dem Zugriff der Primaria angepasst. Brillant die Beweglichkeit bei dem sehr wechselhaften Klangdruck und der Klangtemperatur, was weit weg war vom bei vielen Interpretationen als typisch-brittenisch erlebbaren, graumäusigen und spröden Habitus seiner Musik.

Vorsorgliche Trauermusik

Dmitri Schostakowitschs Kammersinfonie ist eine Transkription seines im Jahr 1960 entstandenen 8. Streichquartetts: eine auf sich selbst geschriebene vorsorgliche Trauermusik, in der die Komponisten-Signatur D-Es(S)-C-H neben zahlreichen anderen Zitaten aus seinen Werken eine große Rolle spielt.

Der Untertitel des Werks, „Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges“, ist offensichtlich höheren Orts entstanden, wie auch der damalige Eintritt des Komponisten in die KPdSU, der ihm die Position des Vorsitzenden des Komponistenverbands der UdSSR hätte bringen sollen. Es handelt sich um ein interessantes Werk des Mitläufertums, wo jemand versucht, im Radar der Staats-Ästhetik sein eigenes Süppchen zu kochen.

Die Fischer-Academy tat gut daran, sich bei der Ausführung minutiös auf den Notentext mit den typischen Schostakowitsch-Schablonen (einer rasenden Motorik zwischen schütteren Adagio-Linien) zu konzentrieren – und das Lieblingsopfer des westlichen Musikbetriebs nicht für naheliegende tagesaktuelle Betroffenheit zu nutzen.

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