John Cale in der Batschkapp – Altern mit Stil

John Cale liefert in der Frankfurter Batschkapp ein grandioses Konzert ab.
Volles weißes Haar, gekleidet ganz in Schwarz – auch mit beinahe 81 Jahren ist John Cale eine rundum stilbewusste Erscheinung. Es legt ein großartiges Konzert hin in der – ausnahmsweise bestuhlten – Frankfurter Batschkapp. Irgendwann soll er vom täglichen Gebrauch von Drogen auf den täglichen Besuch im Fitnessstudio umgestiegen sein, das scheint sich auszuzahlen, in jeder Hinsicht.
Meistens ein Meister
In seiner Frühgeschichte hat der klassisch ausgebildete walisische Musiker mit John Cage und La Monte Young zusammengearbeitet; aus dieser Zeit ist er auf den Sound von The Velvet Underground Mitte der sechziger Jahre geprägt, jener Band, die so einflussreich war wie nur wenige in der Geschichte der Rockmusik. Nicht zuletzt auch als Produzent hatte Cale Anteil an Marksteinen von unter anderem The Stooges, Patti Smith, Jonathan Richman & The Modern Lovers. Mitunter etwas wechselhaft zwischen Meisterwerk und überhöhtem Kunstanspruch: das Solowerk von „Vintage Violence“ (1970) an.
Cale ist mit einer vierköpfigen Rockband unterwegs. Einer exzellenten. „Mercy“, sein jüngster großer Wurf, ist von analogen Synthesizern geprägt und von der Zusammenarbeit mit einer Reihe von Musikern, die für eine – teils auch schon wieder historisierte – Gegenwärtigkeit stehen wie Weyes Blood, Animal Collective, der britischen Post-Punk-Band Fat White Family und R-&-B-Erneuerinnnen wie Laurel Halo und Tei Shi sowie dem britischen Elektroavantgardisten Actress. Und nein, nichts davon wirkt zeitgeistsuchend zusammengepantscht, Cale offenbart eine Anschlussfähigkeit, wie sie sich bei alten Heroen selten findet.
Und so verwundert es auch nicht, dass er im Konzert eben nicht eine Show der Immer-wieder-gern-gehörten Klassiker runterreißt. Kein „Dead or Alive, und auch keine der unsterblich gewordenen Coverversionen wie jene von Leonard Cohens „Hallelujah“. Schon unerwartet dann doch in der Zugabe „I’m Waiting For My Man“ aus der The-Velvet-Underground-Phase.
Beinahe die Hälfte der zwölf Stücke von „Mercy“ findet sich im Konzert. Atmosphärische, mitunter zähflüssige Musik, mal mit dramatischen Trommelschlägen am Schlagzeug und gestrichenem E-Bass. Und auch einem – nicht klebrig! – düster-monumentalem Pathos, teils gestützt durch elektronische Zuspielungen.
Dazu etliche Songperlen
Ansonsten weniger geläufige, mit John Cales anti-machoesk zwischen Rauheit und Weichheit changierender Baritonstimme vorgetragene Songperlen quer durchs Solowerk – und vor allem eine Reihe von Wiederbegegnungen mit Cales charakteristisch eckigem Meta-Rock’n’Roll-Stakkato-Piano-Stil. Mögen die Novitäten und die alten Nummern auch ästhetisch eher auseinanderfallen, ein Schaden ist das nicht. Früher war mehr Exzess, besonders auch im mitunter sich manisch-expressiv überschlagenden Gesang John Cales – auch dies keinerlei Anlass zum Herumkritteln.