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Jill Barber „Homemaker“: Ganz normales Leben

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Von: Sylvia Staude

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Jill Barber. Foto: Jessica Jacobson
Jill Barber. © Jessica Jacobson

Jill Barbers feines Küchenmusik-Album „Homemaker“.

Die kanadische Singer-Songwriterin Jill Barber lebt mit Mann und zwei Kindern in Vancouver. Mit dem Familienstand fangen Besprechungen von Musikalben eher nicht an, aber in diesem Fall heißt das Album „Homemaker“ und handelt in allen zehn Songs vom Zusammenleben nach der ersten Verliebtheit, der Entscheidung für ein gemeinsames Bankkonto, von der Sorge um die Kinder, es erzählt von den schönen Alltagsmomenten, aber auch der Überforderung. Den einen Abend auf der Bühne stehen, am nächsten Tag eine schmutzige Halle fegen – so beschreibt die 1980 geborene Jill Barber den Spagat, der ihr abverlangt wird.

Die Pandemie war offenbar in ihrem Fall der Auslöser für ein ganzes Album, das sich mit heimischen, bodenständigen Dingen beschäftigt, mit einer unaufgeregten Musik, die man mitsamt den lakonischen Texten gern hört, während man zum Beispiel in der Küche wurstelt – und das ist nicht spöttisch gemeint.

Denn weder Jill Barbers nicht direkt schöne, wohl aber interessante, lebensklug wirkende, leicht nölige, raue Stimme, noch die recht sparsame Begleitung – oft nur ein Gitarren-Zupfen und -Plinkern, manchmal ein gemäßigt melancholisches Wah-Wah – plustern sich auf. Da singt eine Frau, der man zutraut, die Ärmel hochzukrempeln. Die aber nicht viel Gewese darum macht. Eine gewisse Intimität erzeugt Jill Barbers Art des unforcierten Singens außerdem, ohne dass sie je so wispern und flüstern würde wie zum Beispiel Billie Eilish.

Das ALbum:

Jill Barber: Homemaker. Outside Music.

Sie hält die Taschentücher

Der Titelsong „Homemaker“ erzählt vom Wirken einer Mutter und Ehefrau, die einem Gegenüber mit Kummer irgendeiner Art schlicht verspricht: „I’ll just hold the box of tissues for you“, ich werde die Schachtel mit den Kleenex halten. „Joint Account“ ist ein Duett mit dem Songwriter Grant Davidson alias Slow Leaves, das von der Verpflichtung handelt, die man eingeht, wenn man ein gemeinsames Bankkonto mit dem Partner oder der Partnerin einrichtet. Apropos Geld: In „Instant Cash For Gold“ sind die Stiefel staubig, ist der Lack ab, versucht die Sprecherin mehr schlecht als recht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Logischerweise stehen Würdigungen des Frauenlebens im Vordergrund. „My Mother’s Hand“ erzählt vom Wiedererkennen der mütterlichen Handschrift und dem Trost, den die Tochter aus Briefen, Karten, kleinen Botschaften bezieht, die beim Pausenbrot für die Schule lagen. Ein wenig aus der Reihe fällt „Hell No“, schon der Titel signalisiert: da wird nein gesagt, etwa zum Rasieren der Beine, zu Diäten, zum halben Lohn für die doppelte Arbeit, sowieso dazu, ein „good girl“ sein zu sollen. „Canada’s Sweetheart“ wurde Jill Barber schon genannt, das scheint sie mit über 40 nicht mehr lustig zu finden. Unspektakulär ist „Homemaker“, dafür unverstellt und von einer stillen Kraft.

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