Jazz-Nights in der Alten Oper: Crooner am Saxofon

Émile Parisien und Vincent Peirani bei den JazzNights in der Frankfurter Alten Oper.
Mit einer Ehe hat der Knopfakkordeonspieler Vincent Peirani seine langjährige musikalische Verbindung mit dem Sopransaxofonisten Émile Parisien verglichen. Seit gut zehn Jahren treten die beiden französischen Jazzstars immer wieder gemeinsam in Erscheinung; am Anfang sei alles paradiesisch gewesen, später habe es immer mal wieder Krisen gegeben. Der eheliche Teil dieses ein wenig irreführend als „Parisien-Peirani-Project“ annoncierten Abends bei den JazzNights in der Frankfurter Alten Oper war einigermaßen schnell abgehandelt: Am Anfang haben die beiden einige Nummern aus ihrem vor drei Jahren erschienenen zweiten Duoalbum „Abrazo“ gespielt.
Auf lichtem Niveau
Begegnungen in reibungsvoller Harmonie auf lichtem Niveau. In ihrer bekannt freigeistigen Weise beschäftigen sich Parisien und Peirani hier mit dem Tango und dem Tango Nuevo, in eigenen Stücken wie auch Klassikern unter anderem vom Titanen Astor Piazzolla. In Xavier Cugats Tango-Standard „Temptation“ konnte man den besonders für sein expressives Spiel berühmten Parisien als eine Art Crooner auf seinem Instrument erleben.
Mit einem eher milden Bruch daran angeknüpft hat Émile Parisien mit seinem Sextet, mit dem er das jüngste Album „Louise“ eingespielt hat, im Sinne eines wohltemperierten Jazz im Fusionstil, der sich als „zeitlos“, mithin frei vom Anspruch des explizit „Zeitgenössischen“ einstufen lässt. In der brillanten transatlantischen Band fliegen die Funken, mit der ins Sphärisch-Klangliche tendierenden Trompete von Theo Croker, der kniedelig-knackigen Gitarre von Manu Codja und markanten rhythmischen Impulsen vom Bassisten Joe Martin und dem Schlagzeuger Nasheet Waits. Ausgedehnte Soli sind über den Auftritt verteilt, mit einem perkussiv-tastenzirzensischen Knalleffekt des Pianisten Roberto Negro am Ende.
Von gänzlich anderem Charakter der gleichfalls an Fusion anknüpfende Ansatz von Vincent Peirani und dem Trio seines gleichfalls im vergangenen Jahr herausgekommenen Albums „Jokers“ um den Gitarristen Federico Casagrande und Ziv Ravitz am Schlagzeug. Elemente aus Hardrock und Industrial sind eingewandert; Nummern von Marilyn Manson und den Nine Inch Nails finden sich im Repertoire. Vereinzelt sind perkussiv geprägte programmierte Beats im Spiel. Aber die Basis ist und bleibt der Jazz, im Sinne eines Maßes an momenthafter Freiheit der Interaktion zwischen den Musikern. Zum Abschluss gab’s als ausgesprochen liebliches Wiegenlied „Ninna Nanna“ von Frederico Alagna mit Vincent Peirani an der Akkordina, einer Art Blasakkordeon.
Ein in Jazzkreisen eingeführter (und klischeebehafteter) Begriff ist der „ECM-Stil“, bezogen auf die Plattenfirma. Keiner hingegen spricht vom „ACT-Stil“, um das andere wichtige Münchner Jazzlabel. Doch auch den gibt es durchaus. Äußerst gepflegte jazzmusikalische Feinkost, experimentierfreudig – immer so weit, wie ein größeres Publikum mitzugehen bereit ist. In diesem Sinne sind Parisien wie Peirani die idealen ACT-Musiker.