1. Startseite
  2. Kultur
  3. Musik

Iggy Pop „Every Loser“: Kracher mit Stinkefinger

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Stefan Michalzik

Kommentare

Iggy Pop vergangenes Jahr im französischen Reims.
Iggy Pop vergangenes Jahr im französischen Reims. © AFP

Iggy Pop lacht sich am Ende kaputt auf seinem Album „Every Loser“.

Iggy Pop hat über die Jahrzehnte hinweg musikalisch so einiges versucht – mitnichten allzeit glückreich. Aber keineswegs, als wolle er sich langsam zur Ruhe setzen, klingt ,,Every Loser“, das neue Album des 75-Jährigen. Auf ,,Préliminaires“ (2009) und ,,Après“ (2012) hatte er anhand von Standards aus Pop und französischem Chanson den Crooner gegeben – eine jener Verrenkungen, mit denen viele Popmusiker im fortgeschrittenen Karrierestadium Kreativitätslöcher zu stopfen pflegen.

Auf den Rock besonnen

Dann die unvermutete Wende: Für ,,Post Pop Depression“ (2016) hatte sich Pop mit Josh Homme von den Queens of the Stone Age und Mark Helders von den Artic Monkeys zusammengetan und auf den klassisch riffgetriebenen Rock besonnen. ,,Free“ (2019) wiederum, mit dem Jazztrompeter Leron Thomas als Produzenten, war vor allem von dunklen Sounds mit einer hallig-atmosphärischen Räumlichkeit gekennzeichnet.

,,Frenzy“, die erste Nummer auf ,,Every Loser“, ist ein überrumpelnder Brecher, der wie ein Rekurs auf die trockene Lärmigkeit der frühen Tage anmutet. ,,Got a dick and two balls/That’s more than you all“: das wirkt wie eine – freiwillige – Parodie auf den Sex-and-Drugs-and-Rock-and-Roll-Lifestyle Iggy Pops. In diesem Sinne geht es erst einmal weiter, musikalisch freilich weniger harsch. ,,Strung Out Johnny“ schildert Stationen auf dem Weg ins Junkietum; ,,All the Way Down“ kündet von Abstürzen und halluzinatorischen Fantasien. ,,I don’t know how to die, I don’t know how to cry“, heißt es schließlich in ,,Modern Day Ripoff“.

So summarisch bilanzierend die Musik sein mag, Iggy Pop beschäftigt sich nicht allein mit sich selbst und seiner Biografie. ,,Comments“ markiert eine rüde Attacke wider die vermeintlichen Segnungen des Internets: ,,Sell you stock in Zuckerberg and run/ Buy your passport to the end of fun“.

Das Album:

Iggy Pop: Every Loser. Atlantic/Warner.

Die musikalische Ästhetik ist konservativ, wie auch an der Besetzungsliste abzulesen. Das ist kein Nachteil. Produziert hat Andrew Walt, zuvor unter anderem tätig für Justin Bieber, Eddie Vedder und Ozzy Osbourne. Einschlägige Prominenz, mit unter anderem Stone Gossard (Pearl Jam) und Dave Navarro (Jane’s Addiction) an den Gitarren, Bassist Duff McKagan (Guns N‘ Roses) sowie am Schlagzeug Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) und dem inzwischen verstorbenen Taylor Hawkins (Foo Fighters).

Zumeist ist der Vortrag gekennzeichnet von einem Changieren zwischen betont tief gegerbtem Sprechgesang (in den Strophen) und räudig-metallischer Singstimme (in den Refrains). Die Dramaturgie über die klassisch vinyllangen ungefähr 38 Minuten ist die eines Wechsels zwischen Stinkefingerkrachern und Nummern musikalisch sachteren Charakters.

In ,,Neo Punk“, einer der lärmigen Nummern, ruft er sich als ebensolcher aus. Iggy Pop dekonstruiert damit den eigenen Status einer ,,Rockikone“ – und lacht sich am Ende kaputt. Wir erinnern uns: für ihre ,,Free form music“ – so Pop später über die frühe Werkphase mit The Stooges um 1970 herum – wurde der Band in der Mitte der Dekade, in der Ära des Punks eine prophetische Rolle zugeschrieben.

Würdiges Altern durch die künstlerische Verweigerung ebendesselben – dies trägt hier Früchte: in der umfangreichen Diskografie von Iggy Pop ist ,,Every Loser“ wenn auch nicht auf einem der Spitzenplätze, so doch auf einem der oberen Ränge einzuordnen.

Auch interessant

Kommentare