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HR-Sinfoniker: Ein milder Brie

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Von: Bernhard Uske

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Hilary Hahn in der Alten Oper. Foto: Ben Knabe
Hilary Hahn in der Alten Oper. Foto: Ben Knabe © © Ben Knabe

Hilary Hahn mit den HR-Sinfonikern in der Alten Oper Frankfurt.

Erstlingswerke von Dmitrij Schostakowitsch und Sergej Prokofjew bot das HR-Sinfoniekonzert im Großen Saal der Alten Oper Frankfurt unter Leitung Alain Altinoglus. Das Scherzo des 13-jährigen Schostakowitsch ist ein rhythmisch und harmonisch agiles, ja anspringendes Fünfminutenstück, das wenig von russischer Spätromantik an sich hat.

Eine Kreation, die im Vergleich mit dem 1917 entstandenen Violinkonzert des damals 26-jährigen Prokofjew bescheiden wirkt, hatte der 15 Jahre ältere Kollege in seinem Solo-Tutti-Klangzug doch bereits die ihm eigene singuläre Gemengelage aus lyrischer Höhe, sarkastischer Spitzigkeit, punktgenauer Differenzrhythmik und pastosen Setzungen samt lakonischer Kontrastdramaturgie voll entwickelt.

Davon war jetzt im Spiel des Tutti und des Soloparts, der in den Händen Hilary Hahns lag, nicht allzu viel zu erleben. Die von Alain Altinoglu bestimmte Klangbildung blieb über weite Strecken blass und ließ das typische Aroma von Beize und Süße, das Prokofjew wie kaum ein anderer zu entwickeln vermochte, vielfach vermissen.

Hilary Hahn ging ihren Part zwar engagiert an, und die Legato-Bögen gelangen vortrefflich. Auch die barsch und geräuschhaft genommenen Ton-Attacken und Bohrungen ganz nahe am Steg des Solo-Instruments sowie die konvulsivischen Rotationen. Anderes, wie die gesteppten und gestichelten Passagen, blieb unterbelichtet, der Ton insgesamt körperlos.

Altinoglu begleitete mit dem aufgeräumten Orchester, hatte aber keinen Dreh für die solo-tuttihafte Parallelität gefunden, aus der das Konzert als eine Art Sockel- und Tragekonstruktion besteht. Eine gewisse Largesse, die bei Prokofjew immer zielführend ist, war nicht zu spüren. Allein im großen, geradezu exterritorialen Suspensionsfeld der Reprise des ersten Satzes sprang der Funke vollkommen über.

Enttäuschend die Einfallslosigkeit der Solistin, die das drei Zugaben herausklatschende Publikum mit Sätzen aus einer Bach-Partita abspeiste, statt etwa aus der grandiosen Violinsolo-Produktion Prokofjews etwas zu bieten.

Schostakowitschs 1. Sinfonie kam in einem frankophonisierten Klangbild daher, das von der Schärfe und Unbedingtheit eines 19-jährigen Russen, der in Freud und Leid eine hohe Meinung von sich ausdrückt, nichts ahnen ließ. Sarkasmus, Großtektonik der gestanzten Idiome, herausfahrendes D-Es-C-H-Namensmotiv: man fühlte sich in einen Käseladen versetzt, wo statt des erhofften russischen, sauer-würzigen Uglitschskij-Hartkäses ein milder Brie verkauft wird.

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