HR-Sinfoniekonzert in der Alten Oper: Heldentaten allüberall

Das HR-Sinfonieorchester geschmeidig mit Sibelius und Finnischem.
Im Jahr 2017 hat die 1970 geborene Finnin Lotta Wennäkoski ein fünfminütiges Werk zur 100-Jahr-Feier der Unabhängigkeit Finnlands komponiert, das den Titel „Flounce“ trägt und bei der „Last Night of the Proms“ in der Londoner Royal Albert Hall uraufgeführt wurde. Ein Klanggewebe mit unterschiedlich markanten Fäden, das sich mal dichter, mal verworrener, mal durchscheinend, aber immer straff gespannt zu Beginn des HR-iSinfoniekonzerts im Großen Saal der Alten Oper entfaltete. Nicht mit den stark gemachten sporadischen tonalen Anmutungen, wie sie sich bei der Uraufführung ergaben.
Damals dirigierte Sakari Oramo das BBC Symphony Orchestra, während jetzt Jukka-Pekka Saraste das auf einen eher rauen Ton verpflichtete HR-Sinfonieorchester leitete. Nicht unplausibel und einer autochthonen Direktheit vielleicht gerechter werdend. Blendend jedenfalls in der orchestralen Präsenz, die sich beim folgenden Bratschenkonzert des 1954 geborenen schwedischen Komponisten Anders Hillborg fortsetzte. Mit einer Textur der Solostimme, die weniger das Satte und Sonore dieses Instruments exponierte, als vielmehr brüchige, splittrige Klangoberflächen bescherte.
In souveräner und in sinnend gestalteter, wie beiläufig zu Stande gekommener Artikulation, die der 1977 in London geborene Bratschist Lawrence Power konzentriert vermittelte. Dirigent Saraste schuf mit dem brillanten Orchester einen kongenialen Klangrahmen, der geschmeidig wie ein zweites und riesengroßes Solo wirkte.
Die sinfonische Hauptsache nach der Pause – mehr als 120 Jahre älter als das zuvor Gehörte – war so weit nicht entfernt von den Kreationen der Finnin und des Schweden. Denn auch Jean Sibelius pflegte in seiner viersätzigen Lemminkäinen-Suite von 1896 einen orchestralen Hintergrund, der in dauerbewegter Flächigkeit eine gespannte Atmosphäre schafft, um darin den archetypischen Bodensatz eines National-Epos mit Heldentaten, Verführung, Totenreich und glücklicher Heimkehr zu gestalten.
Kreiselnd bis stehend
Der 67-jährige Finne Saraste, der im Sommer Chef des Helsinki Philharmonic Orchestra wird, hatte die Farbsättigung des kreiselnden bis stehenden, aber ständig Spannung vermittelnden Sibelius-Klangs reduziert und melodiöse Griffigkeiten minimiert. Ein eher sepia-farbenes Bild in gestochen scharfer Körnigkeit legte energetische, wenngleich wenig bildhafte Assoziationen nahe.