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Ich höre ein Heer

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US-Tenor Michael Fabiano in der Oper Frankfurt.
US-Tenor Michael Fabiano in der Oper Frankfurt. © Barbara Aumüller

Mit Kraft, Witz und Lässigkeit: Michael Fabiano in der Oper Frankfurt.

Da alles, was passieren kann, irgendwann auch passiert, lockerte sich diesmal ein Teil des Flügels. Dies betraf die Lyra, an der die Pedale angebracht sind. Laurent Philippe hörte also auf zu spielen, und Michael Fabiano nutzte die Lücke, um immens sympathisch und völlig ironiefrei zu erklären, wie gut es ihm hier in diesem traditionsreichen Opernhaus gefalle. Man hatte den Eindruck, es hätte ihn auch nicht direkt gestört, länger zu plaudern. Es gab dann aber eine vorgezogene Pause, in der zu sehen war, wie vieles zwar schief gehen kann, wie rasch sich aber auch Hilfe findet. Vier Herrschaften, unter ihnen schließlich der Steinway-Notdienst, berieten und schraubten offenbar kompetent an der richtigen Stelle.

Der Tenor Michael Fabiano, der im Mai seinen 34. Geburtstag feiert, ist ein Opernmann durch und durch. Ihn bei einem Liederabend in der Oper Frankfurt zu erleben, ist interessant und außerdem die rare Gelegenheit, den amerikanischen Star überhaupt in Deutschland zu hören (2019 debütiert er als Herzog im „Rigoletto“ an der Staatsoper in Berlin, Andrés Orozco-Estrada dirigiert). Er ist aber wirklich so sehr Opernmann, dass er auch seinen Liederabend ohne Vertun als Opernsänger angeht. An riesige (amerikanische) Säle gewöhnt und von einer tatsächlich jerichotrompetenhaften Kraft sprengt seine gleichwohl lyrische Stimme den Rahmen des Opernhauses lässig. Lässig auch er selbst. Zutiefst vertraut offenbar das Verhältnis zum Pianisten Philippe, mit dem er seit Jahren zusammenspielt und der ihm im Einzelfall diskret souffliert.

Auf dem international gestalteten Programm fast durchweg Raritäten, vielleicht ein kluger Zug, um nicht in unsinnige Konkurrenz zu geraten. Denn auch wenn Fabiano sich nicht auf die intimere Liederabendsituation einstellen mag, groß aussingt und in Mimik und Gestik herrlich opernhaft glückliche, grimmige oder zagende Charaktere markiert, wagt er sich ins Kunstlied vor. „Three Songs“ von Samuel Barber endeten mit Liebesschmerz wie Donnerhall („I hear an army“!), und erst den Henri-Duparc-Block schloss ein wahrlich wunderlich zarter Beitrag ab, den Fabiano auch empfindsam ausführte: „Phidylé“. Bei den französischsprachigen Liszt-Liedern war im delikaten Beitrag „Oh! Quand je dors“ wieder diese ausgefeilte, ausgebuffte Zartheit zu hören. Gleich danach paarte sich die Kraft mit Gewitztheit in „Comment, disaient-ils?“, so dass schon offenbar wurde, was für ein differenziertes Instrumentarium Fabiano zur Verfügung steht.

Trotzdem bahnte er sich, auch über Volkstümliches von Joaquín Turina, den logischen Weg hin zur Opernarie. Bei drei Liedern von Arturo Toscanini mit „Il pescatore“ als neckischem Rausschmeißer war er fast da, wo seine Stimme hin will. Robertos Arie „Torna ai felici dì“ aus Puccinis „Le Villi“ schloss das offizielle Programm ab, dem einschlägige Fabiano-Titel folgten – darunter Lenskis Arie aus „Eugen Onegin“ im bejubelten Weltklasse-Format.

Fünf Sprachen, kein Beitrag auf Deutsch, obwohl Fabiano sonst ein paar Richard-Strauss-Klassiker im Programm hat. Neugierig wäre man schon gewesen.

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