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Hélène Grimaud in der Alten Oper Frankfurt: Bis die Zeit stillsteht

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Von: Judith von Sternburg

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Hélène Grimaud. Foto: Mat Hennek
Hélène Grimaud. © Mat Hennek

Hélène Grimaud spielt Mozart, Schumann und Sylwestrow mit der Camerata Salzburg.

Wenn wir uns nicht verguckt haben, rückten Solistin und Orchester nach der Pause noch etwas näher zusammen, schmiegten sich geradezu aneinander. Giovanni Guzzo, der Konzertmeister der Camerata Salzburg, saß jetzt fast neben der Pianistin Hélène Grimaud. Sie übersprangen die Riesenhaftigkeit des Großen Saals der Alten Oper Frankfurt: Kammermusikalische Innigkeit herrschte beim Pro-Arte-Konzert, das eigentlich ganz Mozart gewidmet sein sollte („Dem Mozart-Geheimnis auf der Spur“, so das ursprüngliche Motto, und ja, dem Mozart-Geheimnis müsste man wirklich einmal auf die Spur kommen), dann aber noch etwas aufgelockert wurde.

Duett mit Bläsergruppe

Genial blieb es aber auch so, denn Robert Schumann, nur elf Jahre älter geworden als Mozart, bricht mit seinem Klavierkonzert in a-Moll in neue Zeiten auf. Bei Hélène Grimaud klingen sie filigran und kristallin, können in der Kadenz im ersten Satz aber auch rabiat werden. Zum Kammermusikalischen gehörte, dass Guzzo nur anführte, wo es ihm zwingend erschien. So erlebte man die fabelhaften Bläser der Camerata praktisch im Duett mit Grimaud. Am Ende durfte die Pauke knallen, dass es eine Art hatte.

Vor der Pause Mozarts Klavierkonzert Nr. 20, in das sich das dirigentenlose Ensemble umso eindrucksvoller hineinzugrooven schien, ein kühner, organischer Vorgang mit viel Zug beim Tempo. Die Virtuosität der Solistin wirkte entspannt, bei atemberaubender Präzisionsarbeit. Von großer Spannkraft die Sinfonie Nr. 40, ein Gassenhauer, den die Camerata taufrisch anbot. Es ist nicht nur eine Abwechslung, ohne Anleitung vom Pult aus zu spielen. Es gibt, wenn es gelingt, der Musik eine uneinholbare Unmittelbarkeit.

Als Zugabe ein schon in der Länge vollgültiges Stück von Walentyn Sylwestrow, dem 1937 geborenen ukrainischen Komponisten, der soeben mit Tochter und Enkelin nach Deutschland fliehen konnte. Auch wenn die Aufführung den Menschen in der Ukraine gewidmet war, ist das kein Kurzzeitinteresse: Auf dem 2020 herausgekommenen Album „The Messenger“ stellen Grimaud und die Camerata Werke Sylwestrows Arbeiten von Mozart gegenüber. Das für Frankfurt ausgesuchte Stück war eine tragisch verwehte Ex-Tanzmusik, in der die Zeit zunehmend still zu stehen schien – bei Musik als an die Zeit gebundene Kunst ein lähmendes, auch fatales Phänomen, passend zur verzweifelten Lage.

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