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Gitarrist Walter Becker ist tot

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Von: Thomas Stillbauer

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Becker 2007 beim Auftritt in New Orleans.
Becker 2007 beim Auftritt in New Orleans. © dpa

Walter Becker zupft nicht mehr: Die eine Hälfte des Rockjazzfunkweltwunders Steely Dan ist tot. Der Bassist und Gitarrist wurde 67 Jahre alt.

Als die Band Steely Dan in ihrem ersten Leben noch live auftrat, 45 Jahre ist das her, war Walter Becker auffällig unauffällig. Die alten Aufnahmen zeigen ihn im Hintergrund, besonders wenn er den Bass spielt, etwa in „Reelin’ In The Years“, einem der großen Hits. Oder in „Do It Again“, dem Steely-Dan-Song, den jeder kennt. Fast hat man den Eindruck, Walter Becker bewege sich gar nicht. Zupfte er überhaupt, zu diesem Rhythmus, dieser Hypnose von einem Rhythmus, der später in Michael Jacksons „Billy Jean“ wieder auftauchen sollte, freilich ohne diese Trance von einem Gesamtsound? Oder stand er nur langhaarig und stocksteif da?

Ja, er zupfte. Aber jetzt zupft er nicht mehr. Walter Becker, die eine Hälfte des Rockjazzfunkweltwunders Steely Dan, ist tot. Er wurde 67 Jahre alt.

„Do It Again“ mit Beckers Basslauf konnte man jahrelang hören, jeden Tag drei Mal, natürlich nicht nur des Basslaufs wegen. Wenn man ehrlich ist, war es unmöglich, sich sattzuhören an den Keyboards von Donald Fagen, der anderen Hälfte des Wunders, den Pianoklangfarben, die durch den Raum vagabundierten wie ein verrückter Hausgeist, und an Donald Fagens Stimme.

Wenn es einem irgendwann doch zu den Ohren rauskam, dieses „Wheels turnin’ rund and round, you go back, Jack, do it again“, und man hörte weiter, dann erschloss sich langsam das ganze Steely-Dan-Universum aus Melodien, die es sonst nirgendwo gab. Meist weiche, oft verschlungene Lieder, im Studio mit den besten Sessionmusikern zur Perfektion arrangiert, drei-, vierstimmig gesungen. Eine Melange aus East- und West-Coast-Klängen.

Die beiden Freunde waren 1972 von New York nach Los Angeles gegangen. In „My Old School“ verarbeiteten sie Erfahrungen der Schulzeit, speziell mit Mädchen. Ein bisschen Heimweh meinte man später immer wieder herauszuhören. Walter Becker spielte mal den Bass, mal die Gitarre in den Songs, die die beiden stets zusammen schrieben. Nahm er die Sechssaitige zur Hand, wurde aus dem stoischen Bassständer nicht gerade ein Vulkan auf der Bühne. Aber Becker krönte mit seinen Licks diese Musik.

Schon 1974 beschlossen die Partner, nicht mehr live aufzutreten, sondern nur noch im Studio an ihren Kompositionen zu arbeiten. „Je komplexer die Musik wurde, die wir spielten“, sagte Becker später, desto weniger habe die Band dafür garantieren können, dass sie auch so auf die Bühne kam. Ende der 70er Jahren geriet Walter Becker in einen großen Drogenschlamassel. Steely Dan löste sich 1981 auf. Erst zwölf Jahre später fanden die beiden wieder zueinander und gingen sogar auf ausgedehnte Tourneen. Becker ließ zwei Soloalben folgen.

Eine Szene aus dem Jahr 2001. Die kongenialen Köpfe werden in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen. Als sie etwas zur Zeremonie sagen sollen, stehen sie linkisch am Mikro, Hände in den Taschen, und Becker witzelt, es falle ihm nichts ein – das Publikum könne jetzt Fragen stellen. Also will jemand wissen, wann sie auf Tour gehen. Becker: „Einfachere Frage, bitte.“ Kommt keine. Stellt er halt selbst eine: Wer der Original-Drummer der Mothers of Invention gewesen sei, Frank Zappas Band. „Jimmy Carl Black“, ruft einer aus dem Publikum. „Very good, very good“, sagt Becker.

„He was smart as a whip“, lobte Donald Fagen am Sonntag, als der Tod des Freundes bekannt wurde, schlau wie ein Fuchs also, ein exzellenter Gitarrist, großartiger Songwriter. Sie hätten dieselben Dinge gemocht, zählte Fagen auf: den Jazz der 20er bis 60er Jahre, W.C. Fields, die Marx Brothers, Science Fiction, Nabokov, Kurt Vonnegut, Thomas Berger, Robert-Altman-Filme, Soulmusik und den Chicago-Blues. Falls es schönere Arten gibt, einen verlorenen Freund zu beschreiben und die Freundschaft gleich dazu, sind es sicher nicht viele.

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