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Boy George als Mann

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Von: Thomas Stillbauer

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Boy George in Las Vegas.
Boy George in Las Vegas. © afp

Das schöne neue Album des Culture Clubs, ein Wiederhören nach 20 Jahren: Boy George singt einfach klasse.

Moment: „I know I’m crazy/But just a little sane“? Ich weiß, ich bin verrückt/Aber nur ein bisschen gesund? So richtig viel Sinn ergibt es ja nicht, was Boy George im Titelsong eingesteht, aber nun gut, so steht es geschrieben, und dazu sagt er: „Als ich den Text zum Titeltrack schrieb, habe ich ganz bewusst versucht, etwas Bedeutungsvolles zu komponieren. Einen Text, der den Menschen widerspiegelt, der ich heute bin.“ 

Aber was für einer ist er heute, nach all den Jahren? „So zynisch ich auch bin“, fährt er fort, „habe ich mir bis heute meinen seltsamen Glauben an andere Leute, an die Menschheit und auch an mich selbst bewahrt.“ 

Das ist schon mal gut. Noch besser ist: George Alan O’Dowd, genannt Boy George, singt wieder, er hat sogar ein neues Album gemacht, und zwar mit den Begleitern aus alter Zeit – mit dem originalen Culture Club. Was soll man sagen – das war nicht nur ein bisschen gesund, das war eine hervorragende Idee. Das Album ist nämlich sehr gelungen, vor allem musikalisch. Es groovt, es geht gut ins Ohr, es klingt ausgewogen, ob aus den Lautsprecherboxen oder aus dem Stöpsel. Was am meisten verblüfft: die Stimme. Die ist ja richtig männlich geworden, sonor, mit Tiefe.

Wer vom Culture Club nur die 80er Jahre im Innenohr hat, allem voran natürlich „Do You Really Want To Hurt Me“, eines der erfolgreichsten Lieder aller Zeiten, aber auch etwa das schöne „Time“ von demselben 1982er Album „Kissing To Be Clever“ – wer also danach nichts mehr von Boy George gehört hat, der erinnert sich nur an diesen Schlaks mit Hut und langen Haaren. So mädchenhaft kam er daher, flippig, zerbrechlich, und sang seine ganz weiche Stimme n die Herzen des Partyvolks. 

Damals waren Boy George und der Culture Club eine Sensation. Aus England gestartet, eroberten sie die Welt mit ihrer androgynen Leichtigkeit. Aber so schnell der Erfolg kam, so rasch ging er auch wieder. Und wie es sich halt so gehört unter Popstars auf dem absteigenden Ast: Drogen, Skandale, Polizei. Boy George musste im August 2006 fünf Tage für die New Yorker Straßenreinigung arbeiten (Sozialdienst, gerichtlich angeordnet), und 2009 saß er dann sogar ein paar Monate im Knast. Er hatte einen Callboy an die Wand gekettet und geschlagen.

Gar nicht so lang her, wenn man es sich genau überlegt. Nun, jetzt singt er wieder unter großer Aufmerksamkeit, mit 57, und er singt klasse. Das Auftaktstück „God Love“ ist treibend und eingängig mit einem magischen Basslauf (den allerdings praktisch genauso schon die Kollegen von Massive Attack verwendet haben, 1991, in „Safe From Harm“). Ein Wiederhören gibt es später auch in „Different Man“, und zwar mit den ersten Takten von „You Can Leave Your Hat On“ (Joe Cocker, 1986), aber hey: Was gut war, kann man ruhig einmal zitieren. 

Das Album, sauber produziert, macht eine Weltreise durch Soul, Ska, Reggae und Balladenhaftes – und natürlich durch Boy Georges Leben. Sagt er. Es geht halt um die Liebe, es gibt viele Metaphern, es sind eben Popsongtexte, es ist keine Literatur. Es hört sich halt gut an, und wenn sich ein Mann damit selbst verwirklicht sieht, dann sollte uns das für ihn freuen, auch wenn man immer noch nicht alles versteht, was er tut und singt. 

Wie sagt er so schön: „Das Album transportiert eine Art von positivem Denken, das ich als fröhlichen Zynismus charakterisieren würde.“ Okay. 

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