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George Harrison: Er schüttelte die Kissen auf und ging

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Von: Thomas Stillbauer

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The Beatles mit Paul McCartney (l-r), John Lennon, Ringo Starr und George Harrison.
The Beatles mit Paul McCartney (l-r), John Lennon, Ringo Starr und George Harrison. © dpa

Am 25. Februar wäre der jüngste Beatle George Harrison 80 Jahre alt geworden.

Frankfurt - Alle sind sie schon längst achtzig, sofern sie noch da sind, nur George Harrison nicht. Er zöge erst an diesem Samstag nach, der jüngste Beatle, und natürlich ist es ein unerhörter Skandal, dass er nicht dabei sein kann, denn er ist ja, neben John Lennon, einer der beiden Beatles, die schon viel zu lange nicht mehr älter werden.

Der jüngste Beatle war er schon 1960. Da wurde er vorübergehend aus der Bundesrepublik ausgewiesen. Wegen Minderjährigkeit. Manchmal greifst du dir an den Kopf über dieses Land und seinen Umgang mit zugewanderten Fachkräften.

Aber die Tränen stehen dir in den Augen, während du die verschiedenen Versionen von „Something“ hörst, von „Here Comes the Sun“, von „Taxman“, über die Jahre immer wieder verfeinert mit der Studiotechnik, die gerade verfügbar war, aber am schönsten immer noch in den Urerscheinungsformen. Alles George Harrisons Songs. 25 Stücke immerhin hat er an der Allmacht Lennon/McCartney vorbei ins Beatles-Oeuvre einpflanzen können. Alles Songs, mit denen die Band sicher genauso berühmt geworden wäre, gäbe es daneben keine anderen. Oder sagen wir: fast genauso berühmt.

Ernste Lebensentscheidung: John oder Paul?

In den Jahren, in denen die Boomergeneration auf die Beatles stieß und fasziniert an ihnen hängenblieb, mussten Entscheidungen getroffen werden. Mit fortschreitender Lebenserfahrung: Ernie oder Bert? (Bert) Laurel oder Hardy? (Laurel) Gladbach oder Bayern? (Eintracht) Bay City Rollers oder Sweet? (beide) Natürlich auch grundsätzlich Beatles oder Stones (ebenfalls beide), aber dann im Detail: John oder Paul? Es schien, als käme man um diese Zuspitzung nicht herum, auch wenn da noch zwei weitere Typen mitmachten. Aber wer sich damit beschäftigte, welche Songs für die Fabelhaften Vier von wem komponiert worden waren, fand bald den stets als schüchtern und still beschriebenen George weiter vorn im Bühnenlicht.

Die Sängerin Helen Shapiro erzählt in Craig Browns unterhaltsamem Buch „One Two Three Four“, sie sei 1963 in John Lennon verknallt gewesen – da spielten die Beatles als Vorgruppe auf Shapiros Tournee. „George war der ernsthafteste“, erinnert sie sich. Gelegentlich habe er davon gesprochen, was er machen würde, wenn er reich wäre, und dann habe er sie über finanzielle Angelegenheiten ausgefragt. „Ich kann ihm keine große Hilfe gewesen sein“, gibt Shapiro zu. „Ich interessierte mich noch gar nicht für Geld.“ Sie war damals sechzehn.

Für Pattie Boyd, Fotomodell und Fotografin, war George „mit seinen samtbraunen Augen und dem dunklen kastanienbraunen Haar der bestaussehende Mann, dem ich je begegnet war“. Also hat sie ihn geheiratet. Der walisische Schauspieler Victor Spinetti, der eine Nebenrolle im Beatles-Film „Help“ hatte und bei den Dreharbeiten in Salzburg die Grippe bekam, erlebte den fürsorglichen George: „Die Beatles besuchten mich in meinem Hotelzimmer. George Harrison kam als Erster. Er klopfte, trat ein und sagte: ,Ich wollte dir die Kissen aufschütteln. Wenn jemand krank im Bett liegt, muss man ihm die Kissen aufschütteln.‘ Er schüttelte mir die Kissen auf und ging.“

Es gab einen George Harrison nach den Beatles. Einen, der seine Kontakte zum Maharishi Maresh Yogi und zum spirituellen Mittleren Osten vertiefte, ein riesiges Benefizkonzert für Bangladesch organisierte, erfolgreiche Soloalben aufnahm und ein aufsehenerregendes Plagiatsverfahren am Hals hatte: „My Sweet Lord“ (überall Platz eins) hörte sich 1970 allzusehr an wie „He’s So Fine“ von den Chiffons. War nicht so gemeint, sagte Harrison und machte sich ein paar Jahre später mit „This Song“ (nirgendwo Platz eins, aber sonntagnachmittags in den Top 40 auf AFN sehr präsent) darüber lustig.

Harrison war Produzent von „Das Leben des Brian“

Harrison produzierte den Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“. Ende der 1980er spielte er mit Bob Dylan, Jeff Lynne, Tom Petty und Roy Orbison in der Supergroup The Travelling Wilburys. 1999 überlebte er die Messerattacke eines Verrückten. Zwei Jahre später besiegte ihn der Lungenkrebs. Er wurde nur 58 Jahre alt. Aber es war ganz schön viel drin in diesem Leben.

Bitte? Da oben hat was gefehlt in der Aufzählung seiner schönsten Songs? Oh ja. Wann immer du an George Harrison denkst, wann immer du auch nur das Wort „While“ irgendwo in einen Computer tippst, geht es los im Kopf, das „Ding, diding, diding, diding, diding, diding, didididing“ des Pianos, und dann die Gitarre, und dann: „I look at you all/See the love there that’s sleeping“. Magisch. Aber auch tragisch. Während George in „While My Guitar Gently Weeps“ singt, seine Gitarre weine sanft, ist nicht seine weinende Gitarre zu hören, sondern die von seinem Kumpel Eric Clapton, den er zum Mittun eingeladen hatte. Clapton übernahm später auch den Solopart an der Seite von Harrisons Ex Pattie Boyd. Die Ehe hielt aber auch nicht ewig. Wenigstens leben die beiden noch. Vielleicht stoßen sie heute auf ihn an. Happy Birthday George. Einer, der fehlt. (Thomas Stillbauer)

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