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Ensemble Modern mit Corinna Niemeyer: Weltweite Wallfahrer

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Von: Bernhard Uske

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Das Ensemble Modern vielfältig in Frankfurts Alter Oper.

Es lohnt sich, zum Thema Weltmusik und Massenrezeption den Youtube-Such-Algorithmus für die größten Aufrufszahlen zu nutzen: gut 6 Milliarden ist da der Standard. Oft Mischungen aus weiß (weiblich) und schwarz (männlich), Luxus, Autos, Strand, Schloss, viel Haut. Der Ton: rappig, bluesig, technoid rhythmisch mal unterkühlt, mal heiß gelaufen.

Weltmusik und Massenbewegtheit war auch ein Thema beim Ensemble-Modern-Konzert im Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt. Christopher Trapani hatte sich mit „No Window Without a Wall“ (2022) des Themas aus der guten alten Zeit des 20. Jahrhunderts angenommen, wo „Weltmusik“ noch die ganz andere Musik außereuropäischer Völker meinte. Mit Orientalismus zu Beginn und erhofftem Mondialismus am Ende des Säkulums – frei von kulturindustriellen Zusatzstoffen.

Heute ist das ein antiquarisches Unterfangen, das dem Ensemble Modern und Corinna Niemeyer als Dirigentin aber Gelegenheit bot, die altertümlich weiße akademische Vorstellung von dem, was die Musik Aller auf Erden sei, in feinen rhythmischen Austüftelungen, die Trapani glänzend beherrscht, zu präsentieren.

Das Werk Malte Giesens („Massenprozession“ 2020) blickte weiter zurück: bis zum Allegretto der Sinfonie Nr. 7 in A-Dur von Ludwig van Beethoven aus dem Jahr 1812, wo bekanntlich ein Wallfahrerlied eine bukolisch-nostalgische Reminiszenz an die pastorale Atmosphäre der 6. Sinfonie darstellt. Jetzt ist das collagiert und zerlegt mit viel elektro-akustischer Übermalung ins Dräuende und Dämonische. Angesichts der Klangmassenprozesse eines Iannis Xenakis ein vergleichsweise harmloses, anekdotisches Unterfangen, das sicherlich gut zum Beethoven-Jubiläum 2020 gepasst hat.

„Frames II“ (2019/22) von Elnaz Seyedi präsentierte eine zeremoniös statische, in Akkordsäulen und -flächen sich sehr metallisch gebärdende Rechteckigkeit mit leicht abweichenden Ausbuchtungen.

Broschen und Gemmen

Nathalie Dietterichs „Something Twisted“ (2015) war wie eine Kreuzung von minimal music und cantus firmus: als hätte jemand den Generalbass eines Choralvorspiels mit typischer minimal-Geläufigkeit verwechselt. Joanna Bailies „Symphony-Street-Souvenir“ (2010) waren dann drei musikalische objets trouvés (Brahms, Carillon, Spieluhr), die wie Andenken in eigenschöpferische Fassungen gleich Broschen und Gemmen verarbeitet waren.

Das Ensemble Modern teilte sich den Applaus des Publikums mit dem beachtlichen Anteil der Klangregie und Tontechnik (Norbert Ommer, Lukas Nowok) am Gelingen des Abends.

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