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„Klänge, die mich begeistern“

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Von: Bernhard Uske

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Unmittelbares mit dem Ensemble Modern in der Alten Oper Frankfurt.

Dünn geworden sind die Programmhefte der gekürzten Konzertdauern. Kostenlos werden sie in der Alten Oper angeboten. Kaum mehr als ein gefaltetes DIN-A4-Blatt, ohne den einst meist umfänglichen Kommentar. Das muss kein Verlust sein und das besonders nicht bei Konzerten Neuer Musik, wie sie jetzt das Ensemble Modern in seiner Frankfurter Heimspielstätte im Mozart-Saal wieder aufgenommen hat. Gerade bei Neuer Musik herrscht in der Kommentar-Prosa oft ein Druck pseudowissenschaftlicher Rhetorik, die meist unverständlich und mit der leibhaftigen ästhetischen Erfahrung vor Ort nicht vereinbar ist.

Besonders hätte das für dieses erste Programm mit Werken von Rebecca Saunders, Galina Ustwolskaja und Charles Ives gegolten. „Es gibt einfach Klänge, die mich begeistern ... Aber eigentlich gibt es gar nichts zu sagen“, ist ein Diktum der heute 53-jährigen Engländerin Saunders. Und von der 2006 mit 87 Jahren verstorbenen Russin Ustwolskaja stammt der Satz: „...die meine Musik wirklich lieben, bitte ich, auf eine theoretische Analyse zu verzichten.“ Charles Ives war der einzige, der in den „Memos“ aus den 30er Jahren illustrierende Bemerkungen zu seinen Klangexplorationen und Stimmungsbildern zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfasst hat als Mediator seiner selbst.

Von Saunders wurde eine ihrer markanten Klang-Dramaturgien („A visible trace“, 2006), von Ustwolskaja eine ihrer bohrenden und brennenden Beharrlichkeits-Manifestationen („Sinfonie Nr. 5 „Amen“, 1989/90) gegeben. Und Ives war mit einem ganzen Set seiner kurzen Ensemblestücke gegenwärtig, wo er als vielgestaltiger Klangwandler von Lebenswelt in Erscheinung tritt. Das war ein packendes Erlebnis und zugleich eines, das eine sehr spezielle Ausdeutung im Mozart-Saal erfuhr.

Wie man sich orchestral aufstellt, so klingt man: Saunders hat immer die Raumpositionierung mit im Blick. Jetzt waren manche Instrumente unter den Umlaufbalkons postiert, was den sich verwebenden und zersprengenden Klängen eine extrem brutalistische Dimension zutrug – bei Präsenz und großer Präzision der Musiker unter Stefan Asbury.

Auf dem Holzblock

Galina Ustwolskajas letztes Werk ist eine Vertonung des „Vater Unser“ in einer harschen und lakonischen, dabei unmoduliert zuschlagenden Art (einen Holzblock traktierte Schlagzeuger David Haller), die man noch niederschmetternder und im Instrumentalsatz durchdrungener kennt. Der Rezitator in äußerster Konzentration war Sebastian Geyer, der zuletzt auch in einigen der Ives-Stücke (jetzt singend in fast zu ruhiger, aber schöner Baritonalität) auftrat. Insgesamt war hier das viel Platz des Saals einnehmende Ensemble oft zu laut. Der atmosphärische Reichtum, die bunten, lebensweltlichen Einsprengsel und die puritanisch-hymnische Schöpfungsbetrachtung seiner Heimat: in ihrer Frische und Entspanntheit verloren in der Klangkargheit des Saals.

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