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Elton John in Wiesbaden: Abschied vom Märchenland der großen Pop-Bühne

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Von: Volker Schmidt

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Elton John auf „Farewell Yellow Brick Road“-Tour.
Elton John auf „Farewell Yellow Brick Road“-Tour. © imago images / CTK Photo

Elton John macht auf seiner Abschiedstour in Wiesbaden Halt und hat zahlreiche Hits, aber auch Raritäten mit dabei.

Als Elton John Punkt 19 Uhr die Bühne auf dem Bowling Green in Wiesbaden betritt, knallt die Frühsommersonne noch viel zu hell in die Nacken. Über die LED-Wände vor dem Kurhaus huschen kaum sichtbare Schemen, Scheinwerfer funzeln. Rock’n’Roll-Stimmung ist anders.

Mit „Bennie and the Jets“ reißt Sir Elton die 11.000 zum Auftakt mal kurz auf die Füße, aber dem Funken folgt kein Feuer. Es ist ein schwer entzündliches Publikum, mehr damit beschäftigt, wer wem die Sicht nimmt und sich gefälligst hinsetzen sollte. Die nicht zahlenden Zaungäste draußen mit ihren Picknick-Decken und Camping-Stühlen wirken entspannter.

Es gab Gerüchte, Elton John müsse das Konzert absagen wie zuvor in Verona, Stimmbandentzündung. Die Sprechstimme kratzt arg, aber die Singstimme schont er kein bisschen, allenfalls in den Höhen springen ihm die Mitmusiker bei.

Mehrfach bestätigt der 72-Jährige, dass es sein letztes Konzert in Wiesbaden sei: Die „Farewell Yellow Brick Road“-Tour soll sein Abschied von der Bühne sein. Er macht daraus kein Drama, aber die Inszenierung durchzieht mehr als ein Hauch von Blick zurück. Bilder vom jungen Songwriter, vom Paradiesvogel in schrillen Kostümen, vom Aids-Stiftungs-Gründer und treusorgenden Papa sind zu sehen.

Mancher Hit von Elton John fehlte auf der Setlist

Auch die Setlist ist eine Mischung aus all den Jahren, seit Elton und Texter Bernie Taupin sich 1969 zu einem der erfolgreichsten Songschreiber-Teams seit den Gershwin-Brüdern zusammentaten. Vom ersten Album „Empty Sky“ ist kein Song dabei, dafür gleich drei vom erfolgreichen „Elton John“ von 1970 und mindestens einer von den Alben bis Mitte der 70er. Die Zeit danach ist selektiv vertreten: Elton John war extrem produktiv, aber nicht immer erfolgreich. Ende der 80er zwang in der langjährige Drogenkonsum zu Therapie und Neuanfang.

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Mancher Hit fehlt unter den 24 Songs, „Crocodile Rock“ etwa oder der Oscar-gekrönte Soundtrack zu „König der Löwen“. Dafür mischen sich unter Radioklassiker von „Daniel“ über „Don’t Let The Sun Go Down On Me“ bis „I Guess That’s Why They Call It The Blues“ Raritäten wie die Native-American-Minioper „Indian Sunset“, bei der Elton am Piano und Percussion-Legende Ray Cooper allein auf der Bühne sind, oder „All the girls love Alice“ über eine suizidale Teenager-Prostituierte.

„Levon“ bringt mit amtlichem Instrumental-Boogie das Publikum endlich auf die Beine – es folgt „Candle In The Wind“, und alle sitzen wieder. Erst gegen Ende, mit „The Bitch Is Back“, „I’m Still Standing“ und „Saturday Night’s Alright for Fighting“, baut die Band stabile Energie auf.

„Goodbye Yellow Brick Road“ als Zugabe und Abschied

Die Band: Percussionist Cooper und Drummer Nigel Olsson begleiten Sir Elton seit 1969, auch Bassist Matt Bissonette, Perkussionist John Mahon und Kim Bullard am Keyboard sind gestandene Tour-Musiker. Stammgitarrist Davey Johnston muss aussetzen; John Jorgenson, auch er ein Elton-John-Band-Veteran, ist ein mehr als würdiger Ersatz.

Ein halbes Dutzend Titel vom 1976er Doppelalbum „Goodbye Yellow Brick Road“, Elton Johns wohl bester Platte, gibt dem Abend das Rückgrat. In der Konzertmitte verunsichert „Funeral For A Friend / Love Lies Bleeding“ mit Geräuschgewitter bei leerer Bühne die weniger Kanon-Kundigen: Ist jetzt Pause?

Als Zugabe spielt Reginald Kenneth Dwight, wie Elton John bei seiner Geburt im britischen Pinner, Middlesex, noch hieß, erst solo „Your Song“, dann als Finale „Goodbye Yellow Brick Road“: Abschied von der gelben Ziegelsteinstraße, die im Kinderbuchklassiker „Zauberer von Oz“ in die Smaragdstadt führt, Abschied vom Märchenland der großen Pop-Bühne. Es folgt ein Abspann zur Musik vom Band.

Zensierter „Rocketman“

Den Film „Rocketman“, der die Geschichte Elton Johns erzählt, gibt es in Russland nicht in voller Länge zu sehen: Wie Journalisten am Wochenende nach einer Vorpremiere berichteten, griff der russische Vertreiber deutlich ein. „Alle Szenen mit Küssen, Sex und Oralsex zwischen Männern wurden herausgeschnitten“, schrieb Filmkritiker Anton Dolin auf Facebook. Laut seinem Kollegen Mischa Kosyrew fielen auch Szenen, in denen Drogen vorkommen, der Zensur zum Opfer. Elton John, der in Russland sehr populär ist, reagierte empört. Der Schritt des russischen Vertreibers sei ein „trauriger Spiegel der gespaltenen Welt, in der wir weiterhin leben“, so John. „Rocketman“ feierte in Cannes Premiere und soll nun in Russland anlaufen. (dpa)

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