Eine sehr gute Ausbeute
Der Pianist Grigory Sokolov mit Beethoven, Schubert und 23 Minuten Zugabe in Frankfurts Alter Oper.
Klatschfrequenz und Zugabebereitschaft stehen bei Konzerten Grigory Sokolovs in einem beim Publikum höchst beliebten Verhältnis, das sorgfältig gepflegt wird. Täuschte die Erwartung beim Pro-Arte-Konzert nicht, so war der obligate Zugaben-Sixpack derselbe wie beim Sokolov-Gastspiel im Rahmen des Rheingau Musik Festivals. Auch jetzt waren unter den romantischen Beiträgen Werke Jean-Philippe Rameaus, denen der Pianist vor Jahren in seinen Programmen ungewöhnlich viel Platz eingeräumt hatte.
In der Alten Oper wurde jetzt Ludwig van Beethoven und Franz Schubert gespielt, wobei die Zusammenstellung von 3. Klaviersonate op. 2 und „Elf Bagatellen“ op. 119 aufhorchen ließ. Denn das Wechselspiel von oft noch rein schmückender, ornamentaler Motiv-Gefälligkeit auf der einen Seite und der lakonischen, harte tektonische Sprünge bietenden Klangbildung auf der anderen bei der frühen Sonate hatte ihre Entsprechung in der Elfer-Mixtur des Bagatellen-Zyklus. Aus früher Zeit stammende Stücke stehen da neben solchen, die schon die Fragmentierung geläufiger Klangprozesse des Spätwerks aufweisen.
Sokolov bot eine phänomenale Einheit aus minimaler agogischer Formatierung der Motivprofile und kristalliner Gerundetheit. Ein Spagat, der hier in der artistischen Beherrschung der Tonbildung vollzogen wird. Eine Art federndes Hämmern, das ziseliert und füllig zugleich ist mit den weit von den Tasten abspringenden Fingern und Armbewegungen. Senkrecht auf der Tastatur landend bei geringfügigster, aber pointierter Tastenberührung. Dabei gänzlich unlarmoyant und auch nicht hüpfend. Manchmal musste man an Glenn Gould denken, wenn die apollinische Töne-Mechanik, die das Klavier hergibt, sich in brillanter Größe auslebte.
Franz Schuberts Vier Impromptus D 935 füllten den zweiten Teil des Abends: pausenlos gespielt, als würde hier ein einziger großer Sonatensatz erscheinen oder eine einsätzige Klavier-Sinfonie. Eine Form, die Schubert gegenüber dem Sonatenformat Beethovens eigenständig erscheinen lassen musste. Nicht mehr ein konstruiertes, ausdrückliches, sondern ein assoziatives Geschehen, das sich in versonnenen und sich besinnenden Haltungen oft nostalgischer, volksmusikalischer Intonationen realisiert.
Sokolov spielte dabei durchaus vehement, gebunden bohrend, in konsequenter Gleichform. Eine bezwingende gute halbe Stunde, bevor sich das Publikum an die Arbeit machte, um den Klatschleistungsgewinn einzustreichen: für insgesamt acht Minuten Applaus wurden sechs Zugaben gegeben, die addiert 23 Minuten Spieldauer aufwiesen. Eine sehr gute Ausbeute.