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Eine Höllenfahrt

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Von: Stefan Schickhaus

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Teodor Currentzis debütiert beim Rheingau Musik Festival.

Wo anfangen? Womit soll man beginnen bei der Schilderung eines Konzertes, das dem Programm nach als ein ganz klassisches daherkommt, das aber ganz anders ist, weil der Dirigent Teodor Currentzis heißt. Der Grieche, der in Perm am Fuße des Urals einem vorzüglichen Orchester vorsteht und einem nicht minder exzellenten Chor, gilt derzeit als der bunteste Vogel der Szene, auch wenn schwarz seine Lieblingsfarbe ist. Currentzis polarisiert und schockiert mit seiner so furiosen wie manieristischen Art, Musik zu machen. Und das ist gut so, denn ohne Exzentriker wie ihn wäre die Musikwelt ja allzu harmonisch.

Wo also anfangen beim Bericht des Debütkonzerts des von Teodor Currentzis geleiteten Chores und Orchesters MusicAeterna beim Rheingau Musik Festival in der Basilika von Kloster Eberbach, die in diesem Fall ein Idealort war, weil das ganz Konzert ein durch und durch inszeniertes war in mönchischer Optik? Im Grunde war der Handschlag, den Currentzis mit seiner Konzertmeisterin austauschte, die einzige Konvention des langen Abends. Der begann mit Glockenschlägen, einem Einzug des Chores von hinten durchs Kirchenschiff, die Choristinnen Kerzen in den Händen und Hildegard von Bingen auf den Lippen.

Es folgten Chorstücke von Ligeti und Schnittke, Strawinsky und Purcell, dazu eine Marianische Antiphon von Arvo Pärt: Es war auch ein wunderbares Narkotikum von warmer Reinheit im dunklen Kirchenschiff. Der Chor sang außerordentlich gut selbst ohne Dirigenten – zu erkennen beim finalen „Remember not, Lord“ von Henry Purcell, für das sich die Sänger aus ihrem Halbkreis lösten, sich Richtung Podiumsrampe bewegten und das Anthem mit Gesten des Bittens, Jammerns und Darbens halbszenisch umsetzten. Das war mächtig überinszeniert, könnte man sagen. Peinlich wirkte es aber nicht, dafür war es alleine schon musikalisch zu gut.

Um 22 Uhr dann ging es los mit dem Hauptwerk, dem Requiem von Mozart, einem Werk, das zu den Standards von Teodor Currentzis gehört. Die Orchestermusiker ebenso wie die Chorsänger in schwarzen Kutten gekleidet, als wären sie eine Mönchsgemeinschaft. Musiziert wurde im Stehen und auf ihren Originalinstrumenten – und zwar so, als wäre das Requiem die Fortsetzung der Höllenfahrt aus dem „Don Giovanni“. Die „Rex tremenda“-Rufe wie Fallbeile, das Confutatis ein Ritt durch die Unterwelt. Und das Lacrimosa in so unglaublicher Schönheit zelebriert, das auch das wie eine bewusste, aber auch berückende Inszenierung wirkte.

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