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Dehd: „Blue Skies“ – Niemals niedlich

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Von: Olaf Velte

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Als Team unschlagbar: das Trio Dehd. Foto: Fat Possum/Membran
Als Team unschlagbar: das Trio Dehd. Foto: Fat Possum/Membran © Fat Possum/Membran

Minimalismus, vokale Raffinessen: Mit „Blue Skies“ hat das Trio Dehd sein musikalisches Modell etabliert.

Diese Musik ist ein Ausschreiten auf randständigen Landstraßen. Ein zügiges, kraftvolles Gehen. Mit „Blue Skies“, ihrem neuen Album, macht die Chicago-Band Dehd große Schritte, fest aufsetzend. „Walk, walk, walk, to the stars above“, heißt es in einer dieser wundersam-eigenbrötlerischen Nummern.

War die 2019er-Veröffentlichung „Water“ bereits ein verheißungsvolles Signal aus dem schier unübersehbaren US-Indie-Wonderland, so haben Emily Kempf, Jason Balla und Eric McGrady ihr Pop-Modell mit dem aktuellen 33-Minüter endgültig unters Dach gehängt. Obwohl das Trio unüberhörbar auf den Schultern der Altvorderen kniet – Einflüsse vom Schlage Dolly Parton, James Brown, Roy Orbison werden genannt – ist ihr Stil mittlerweile unverwechselbar markant. Nach drei Platten innerhalb von sechs Jahren erscheint die Neuheit als Debüt in Oxford/Mississippi, beim Blues-basierten Fat Possum Label.

Weiterhin lassen die Minimalistin und die beiden Minimalisten (Virtuosentum wurde als Quatsch erkannt und folgerichtig des Raumes verwiesen) ihren Low Fidelity-Bastard leinenlos herumlaufen, erlauben ihm kleine Beißereien und kurzweiliges Abschlecken. Viele Zuschreibungen sind Dehd bereits entgegen geflogen, auf Post-Punk und Garagen-Rock wurde ebenso verwiesen wie auf Dream- und Folk-Pop. Nichts davon will richtig greifen, alles kann herausgehört werden.

Das Album

Dehd: Blue Sky. Fat Possum.

Die schnörkellose Abwicklung ist hier Kernkompetenz. Kaum ein Song länger als dreieinhalb Minuten, keine Zeit für Geplänkel und Firlefanz. Einfälle, sprudelnd aus der unversiegbaren Musiktruhe des 20. Jahrhunderts, werden ohne Umschweife zu Songs, werden im besten Falle zu einem Vorwärtsdrängen in Sound & Vision. Selbstermächtigung und zähes Beharren als Erbe des Punk-Zeitalters: Wenn der Chicago-Dreier in Tritt kommt, geben Bass und Standtrommel den Takt vor, übernimmt eine geschrammelte Gitarre die Auspolsterung. Jason Balla, Saitenmann, Produzent und Designer, gibt viel Hall aufs Gerät, ist zuweilen leidenschaftlicher Verfechter einer Link Wray-Surf-Safari. Beispielhaft der Aufbau des dreiminütigen „Clear“, in dem der abschließende Refrain ein ermutigendes Jubilieren ist. Stoisch eröffnet das Bumm-Bumm der McGrady-Schlaghände, dem Kempfs Jauchzer gerne nachfolgen, um nach 35 Sekunden mit einsetzendem Gitarren-Twang an Höhe zu gewinnen. Nicht nur hier ermöglichen die gesanglichen Arrangements – meisterhafte Duett-Partien – einen Freiflug hymnischer Qualität.

Als Team sind Dehd unschlagbar, kaum zu übertreffen in ihrem Garagen-Rock-Pop-Trash-Was-auch-immer-Reservat. Und als Sängerin, Zeremonienmeisterin, ist die 37-jährige Emily Kempf das pulsende Herz dieser Schicksalsgemeinschaft. Statt auf Stagnation in Schönheit setzen die vokalen Energieschübe mit Fauchen und Gurren, Ruf und Schrei auf andere Maßstäbe. Hingabe und Verausgabung sind diesem Band-Format seit Beginn an eingeschrieben.

Nur wenige der 13 Stücke gehören zur vernachlässigbaren Gattung – es sind jene allzu süßen Happen, die der Zukunftsfrage einen bangen Unterton verleihen. Wo wollen sie hin, diese wanderlustigen Gesellen? Was soll als nächstes kommen? Besteht die Gefahr hemmungsloser Verschnulzung?

Einstweilen marschiert die 2022er-Dehd-Saison aber im berauschenden Tritt der Hit-Raketen „Bad Love“, „Window“, „Waterfall“ oder „Stars“. Doo-Wop und Beat und großes Kreischen. Ein Tanzen im Gehen. „I was a bad love / now I can get some / I got a heart full of, I got a heart full of / redemption“, singt Emily Kempf voller Inbrunst, über jeden Zwiespalt hüpfend.

Das Cover von „Blue Skies“ präsentiert ein phantastisches Mischwesen, in dessen Leib rote Blümelein sprießen. Ganz karg, aber knallbunt. – Niemand sollte sich täuschen lassen. Diese Leute sind vieles, aber niemals niedlich.

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