Das Sperrige nicht verzieren

Das hr-Sinfonieorchester mit Britten und Walker in der Alten Oper.
Hugh Wolff, Chef des hr-Sinfonieorchesters von 1997 bis 2006, war Gast beim hr-Sinfoniekonzert in der Alten Oper. Auf die Subtilitäten von Benjamin Brittens Violinkonzert von 1939 ließ der 69-Jährige das Panorama der Planeten, wie es Gustav Holst in seinem Werk aus dem Jahr 1914/16 verfasst hatte, folgen. Zudem gab es eine Komposition des 2018 gestorbenen US-Amerikaners George Walker, der sowohl dort als auch hier beim Publikum kaum bekannt ist. Vier Minuten dauerte die Verklanglichung des Ikarus-Mythos, die der 1922 Geborene auf kompositorisch bescheidene Weise als Aufstieg und Fall des frühen Flugkonstrukteurs („Icarus in Orbit“, 2002-03) zu vermitteln suchte.
Brittens Violinkonzert ist im Vergleich mit seinem musikantischen Klavierkonzert eine spröde Angelegenheit, die sich erst auf das zweite Hören hin mit seiner Raffinesse in Harmonie und Klangmusterbildung erschließt. Der Dirigent war sich mit der Solistin Carolin Widmann offensichtlich einig, das vordergründig Sperrige und Graumäusige mancher Partie auf sich beruhen zu lassen und artikulatorische Prägnanz, wie sie von einigen der Kollegen und Kolleginnen der beiden gesucht wird, nicht sonderlich zu exponieren. Eine gewisse Blässe im Tutti sowie Monotonie im Solopart war die Folge.
Nicht weitschweifig
Immerhin: die Traditionsbezüge, besonders im „Passacaglia“ überschriebenen Satz, waren trefflich erfasst und erwiesen Britten als einen Künstler postmoderner Haltung avant la lettre. Das hr-Sinfonieorchester war gehalten, nicht weitschweifig zu werden, was Raum zwischen den konzertanten Interventionen der verschiedenen Stimmgruppen schaffte.
Das Ereignis des Abends war natürlich das Klang-Planetarium des 1874 geborenen Gustav Holst. Seinen unfreiwilligen Prototyp aller Star Wars und sonstiger kosmo-magischer Sagenhaftigkeiten hat der Komponist, der das Werk nicht für sein bestes hielt, 1926 selber für die Schallplatte eingespielt. In einer vergleichsweise heftigeren und lebhafteren Fasson als in Frankfurt. Dafür konnte das Publikum im Großen Saal die Rotationen der Himmelskörper und deren metaphorische Konturen (Venus-Frieden, Jupiter-Fröhlichkeit, Saturn-Alter) luzider genießen. Siebenmal spendete das Publikum Applaus, denn Pluto war noch nicht entdeckt und die Erde hier nicht vorhanden, ist es doch sie, die schließlich all die klingenden Metaphern erzeugt, die Holst ihren planetarischen Mitläufern zugesprochen hat.