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Das City of Birmingham Orchestra in der Alten Oper: Die Rückkehr des großen Formats

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Von: Judith von Sternburg

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Das City of Birmingham Symphony Orchestra mit russischem Programm in Frankfurt.

Die gepflegte Form des Tschingderassa ließ sich beim Pro-Arte-Konzert mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra hören, das in der Alten Oper Frankfurt ein russisches Programm bot. Für die an Corona erkrankte 35-jährige litauische Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla war der Russe Vassily Sinaisky, Jahrgang 1947, eingesprungen, eine völlig andere Generation, vermutlich angesichts der Kurzfristigkeit auch ein gewisses Provisorium.

Aber ein schöner Anblick. Man konnte den Eindruck gewinnen, Sinaisky höre selbst interessiert und aufmerksam dem blendend präparierten, großbesetzten Orchester zu, das seinen Weg durch das unveränderte Programm zum Teil alleine zu finden schien. Sinaisky stellte dann auch momentweise geschmackssicher und souverän das offensichtliche Dirigieren ein, faltete die Hände, war ganz Ohr. Dann wieder war er ein sicherer Wegweiser.

Einig schien man ja darin, Peter Tschaikowskis Musik mit klassischem Schwung, in einer nicht unbeträchtlichen Lautstärke und einer Verve zu präsentieren, die nicht immer auf Subtilität bestand. Das Großformat, es ist in den Coronajahren etwas aus dem Blick geraten (oder in die Sphäre der Kopfhörer ausgewichen). Aber hier zeigt es sich in seiner Pracht und Disziplin.

Zunächst die „Romeo und Julia“-Ouvertüre, sämig und elegant, nach der Pause die Sinfonie Nr. 4, in der noch deutlicher wurde, dass Sinaisky und das britische Orchester mit üppigen, aber doch genauen Konturen arbeiteten. Das Finale ein lupenreines Spektakel, aber wirklich ein Spektakel. Großer Jubel. Und solcher auch für den Solisten Sheku Kanneh-Mason, der zwischen den beiden Tschaikowskis Dmitri Schostakowitschs zweites Cellokonzert mit Bravour absolvierte. Ein Werk, das nicht nur Virtuosität, sondern auch eine immense Reife des praktisch immer alleine voranschreitenden Solisten fordern dürfte. Wunderbar auch, dass er seine Bach-Zugabe mit vieren der Birminghamer Cellisten spielte.

Sinaisky ist unter anderem Musikdirektor des Janácek Philharmonie-Orchesters in Ostrava. Das ins Programm gelegte Beiblatt zum Wechsel am Pult erwähnte eigens, dass er sich früh ausdrücklich gegen den russischen Angriff auf die Ukraine ausgesprochen habe. Ist das nun der Gesinnungsnachweis, der derzeit so kritisiert wird? Ist es nicht vielmehr zutiefst sympathisch, wenn ein Mensch mit der Stimme, die er eben hat, ruft: „Haltet ein, das Recht ist nicht auf eurer Seite“?

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