Cool freilich ist er nicht

In der fast vollen Frankfurter Festhalle hat James Blunt aber ein Herz für Geburtstagskinder.
Für das Mädchen aus der ersten Reihe hat sich das Konzert gelohnt. Zwei Stunden lang hat es mit seinem „Today is my birthday“-Schild ausgeharrt. Dann holt James Blunt sie auf die Bühne und singt mit dem Chor der Festhallengäste „Happy Birthday“. Wieder so ein Blunt-Moment, der die Geister scheidet: anrührend? Berechnend?
Als Captain James Hillier Blount nach dem Nato-Einsatz im Kosovo die Gitarre vom Panzer schnallte, 2002 den Dienst in der britischen Armee quittierte und einen Plattenvertrag unterschrieb, stieg er bald auf wie eine Signalrakete. 15 Jahre später ist er für viele das akustische Äquivalent zu einem roten Tuch: einfach zu erfolgreich und deshalb ein Synonym für käsigen Pop – ein Chris de Burgh des 21. Jahrhunderts.
Dieses Aufstieg-und-Fall-Phänomen beschäftigt mittlerweile Musiksoziologen. Professor Simon Frith hält die zeitweilige Allgegenwart des Blunt-Songs „You’re Beautiful“ für verantwortlich. Andererseits gelte Robbie Williams samt seinem nicht unähnlichen „Angels“ immer noch als cool. Was also hat Blunt falsch gemacht?
Vielleicht nichts: Die (bestuhlte) Festhalle ist fast ausverkauft, im Publikum sind von etwa 6 bis über 60 alle Altersstufen, das im März erschienene Album „The Afterlove“ kam europaweit in die Top 10. Und die Stimmung ist bestens in einer der (laut Blunt) schönsten Hallen, in denen er je gespielt hat. „Ich schprecke nicht so gut Deutsch“, radebrecht er branchenüblich, streut dann doch einige Brocken ein. Gern selbstironisch: Er sei „ein kleiner Herr“, deshalb sitze die Band so weit hinten, und deshalb schrabble er zu „Postcards“ Ukulele statt Gitarre – dann wirke er größer.
Selbstironie durchzieht die Ansagen. Dass „You’re Beautiful“ so gern bei Hochzeiten gespielt werde, sei creepy, gehe es doch um einen drogenkranken Stalker. „Make Me Better“, ein Liebeslied für seine Frau, halte diese für einen der besten Songs, die Ed Sheeran geschrieben habe. Mit dem Singer-Songwriter verbindet Blunt neben der ähnlich hohen Stimmlage auch eine Freundschaft; das Lied entstand im gemeinsamen Skiurlaub.
Gleich sieben der samt Zugaben 20 Songs kommen von „The Afterlove“, das der Tour den Namen gibt, darunter „Don’t Give Me Those Eyes“ und „Bartender“. Gitarren- und Klavierballaden wechseln mit folkigen Nummern ab, gelegentlich rockt die puristisch mit Drums, Bass, Gitarre und Keyboards besetzte Band auch mal los. Blunt singt mit intensiver, ungewohnt angerauter Stimme – ist die Teetasse in seiner Hand ein Zeichen der Erkältung oder der Britishness?
Es sind eher ältere Titel wie der Opener „Heart To Heart“, „Goodybe My Lover“, „Wisemen“, „High“ oder „1973“, die Menschen von den Stühle reißen und Handy-Lämpchen (sowie einige ewiggestrige Feuerzeuge) leuchten lassen, oder auch das lagerfeuerliederbuchtaugliche Mitsing-Ding „Bonfire Heart“ als Rausschmeißer. Am besten mithalten kann von den neueren Tracks das tanzbare „OK“, das Blunt im Mai für den deutschen DJ Robin Schulz eingesungen hat. Und „Happy Birthday“.