Concertgebouworkest in der Alten Oper: Auch für unsozialistische Ohren

Paavo Järvi und Lisa Batiashvili mit dem Concertgebouworkest
Immer noch wie ein Wunder sind die rappelvollen Konzerte, die zumindest bei besonders prominenten Gästen doch gelegentlich wieder zustande kommen. In der Alten Oper Frankfurt trat nun das Concertgebouworkest aus Amsterdam auf, Paavo Järvi dirigierte, Lisa Batiashvili war die Solistin bei Ludwig van Beethovens Violinkonzert.
Järvi legte das gebremst an, ohne die hochgemute Energie, die hier oft vorherrscht und auch naheliegt. Batiashvili mit ihrem funkelnden Spiel und das sie durchaus nicht zurückhaltend begleitende Orchester bewegten sich stattdessen wie tastend durch die Musik. Ein nachdenklicher, dadurch aber auch taufrischer Umgang mit dem irrsinnig vertrauten Werk. Dazu passten die 1978 entstandenen, selten verwendeten Kadenzen von Alfred Schnittke – Batiashvili hatte dafür Noten dabei –, ein packendes, ernstes und finsteres Erlebnis. Schnittke greift das musikalische Material auf und an, schweift immer weiter ab, baut viele Zitate ein, die man nicht erkennt und höchstens wahrnimmt, wie sich da etwas anderes, Neues hineindrängt.
Bevor es sonntäglich klang
Das konterkariert schneidend scharf – und von der Solistin brillant ebenso wiedergegeben – die friedfertige Sonntagskonzertstimmung, die heute bei einem Beethoven auf dem Programm stets aufkommen wird. Das war nicht immer so, und es ist aufregend, davon etwas zu spüren.
Als Zugabe wählte Batiashvili die sympathische und hier besonders innige Variante eines winzigen Kammerkonzerts: Für Bachs „Air“ aus der 3. Orchestersuite tat sie sich mit vier Concertgebouw-Mitgliedern zusammen.
Im zweiten Teil zogen Järvi und das Orchester Sergej Prokofjews 5. Sinfonie nun ganz ohne Handbremse und Zurückhaltung auf. Das Werk von 1944 ist sinister und großformatig, und die dubiosen Anforderungen des „sozialistischen Realismus“ übertragen sich auch auf unsozialistische Ohren, denn Populismus – und ist er noch so abgefeimt – funktioniert fast immer und überall. Auch der Ballett-Komponist Prokojfew lässt sich allenthalben hören.
Schön, wenn viel Publikum im Saal ist. Hoffentlich gewöhnt es sich nicht an beziehungsweise sofort wieder ab, nach jedem Satz zu klatschen, und wenn er noch so fulminant endet.