Boygenius mit „The Record“: Dem alten Leonard zustimmen

Drei Frauen nennen sich Boygenius und bringen selbstbewusst „The Record“ heraus.
Das erste Album von „boygenius“? Und es heißt „The Record“? Was ist das denn für ein sich aufplusternder Anfängerschlingel, so könnte man denken. Nun, hinter dem Namen – und das ist das lustig-geniale daran – verbirgt sich weder ein Boy noch ein Anfänger (m.), sondern die drei nicht nur ein bisschen bekannten US-Musikerinnen Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, so dass in den Kritiken zu diesem ersten gemeinsamen Album von einer weiblichen Supergroup die Rede ist. Alle drei Musikerinnen traten schon solo auf, waren aber auch in diversen Konstellationen unterwegs. Vor Gründung von boygenius kannte man sich von Auftritten.
Das (augenzwinkernde) Selbstbewusstsein von Baker, Bridgers, Dacus ist berechtigt, denn es ist ein des Titels „The Record“ würdiges, dazu sehr wandelbares Album. Die drei fangen a cappella an, mit „Without You Without Them“, es dominiert die wasserhelle, klare Stimme Lucy Dacus’, die betörendsten Harmonien tröpfeln ins Ohr. Im Anschluss bratzt „$20“ los, stürmt voran, „in einem anderen Leben waren wir Brandstifter“, jetzt müssen 20 Dollar reichen, um abzuhauen.
Und schon weben sich in „Emily, I’m sorry“ wieder Gesangslinien ineinander, es braucht nicht viel Begleitung. Diesmal startet Bridgers mit ihrer leicht rauchigen Stimme, Gitarrenzupfen kommt dazu, vor dem inneren Auge entsteht das Bild dreier Feen des Schöngesangs, die um ein abendliches Feuer sitzen. Denn diese Songs sind fein, dabei unprätentiös, geradlinig. Manchmal entwickeln sie plötzlich einen beträchtlichen Wumms. Und kehren dann wieder zurück zur Zartheit. Sie sind eingängig, stellen keine Stacheln auf. Und fühlen sich trotzdem frisch und neu an, nicht, als hätte man sie hundertmal schon gehört.
Das Album:
Boygenius: The Record. Universal Music.
Aber von was eigentlich singen sie so betörend, so harmonieselig, die boygenius-Frauen? „We’re In Love“ handelt, klar, von der Liebe, aber es ist keine dramatische. „Ich weiß, was du sagen wirst, aber es hilft, wenn du es trotzdem sagst.“ Überhaupt sparen sich die drei die großen, die Rockkerle-Gesten. „I guess I did alright considering“, heißt es in „Anti-Curse“: Alles in allem habe ich’s ganz gut gemacht. Dabei so manchen Fluch abgewehrt.
Einen Song haben sie „Leonard Cohen“ genannt, es geht um seine berühmte Zeile vom Spalt, durch den das Licht scheint. Boygenius-Kommentar: „Und ich bin kein alter Mann, der eine existentielle Krise hat (...), aber ich stimme zu.“ Lustig, lakonisch sind sie also auch.
Sie sind erst Ende zwanzig, die drei Girlgenies Bridgers, Baker, Dacus, die sich offenbar in keine Schublade stecken lassen, die alles ausprobieren wollen. „The Record“? Unbedingt, es ist „die Platte“, sie macht Vergnügen und es werden ihr hoffentlich noch „Another Record“ und „Still Another Record“ folgen.