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P. P. Arnold: 51 Jahre später...

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Von: Stefan Michalzik

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P. P. Arnold klingt nicht, als wäre ein halbes Jahrhundert vergangen.
P. P. Arnold klingt nicht, als wäre ein halbes Jahrhundert vergangen. © Earmusic

„The New Adventures of ... P. P. Arnold“ ist ein Album voll Leichtigkeit und Frische.

Mit gerade einmal zwei Hits, „The First Cut Is the Deepest“ und „Angel of the Morning“, hat sich P. P. Arnold Mitte der sechziger Jahre in die Popgeschichte eingeschrieben. Danach hat sie wie schon zuvor in erster Linie als Choristin im Hintergrund zahlloser Popgrößen gearbeitet, unter anderem bei den Small Faces und Rod Stewarts Steampacket, auf „Sledgehammer“ und „Big Time“ von Peter Gabriels Album „So“. Sie gehörte zum Begleitvokaltrio The Ikettes von Ike und Tina Turner; The Rolling Stones, The Who, David Bowie, Eric Clapton, Nick Drake, Dr. John, The KLF, Oasis, Ocean Colour Scene und Primal Scream gehörten zu ihren Kunden. Ihr eigenes Werk umfasste – rechnet man eine späte Veröffentlichung mit Archivfunden aus den sechziger Jahren nicht mit – gerade mal zwei Alben, das letzte geht auf das Jahr 1968 zurück.

Nach sagenhaften 51 Jahren Absenz ist nun „The New Adventures of... P. P. Arnold“ erschienen, das dritte reguläre Studioalbum. Und das ist ein schieres Wunderwerk. Schon einstmals hat sich P. P. Arnold auf der Grenze zwischen Soul und Easy Listening bewegt. Die 1946 in Los Angeles geborene Afroamerikanerin veröffentlichte ihre Musik auf dem von dem Rolling-Stones-Manager Andrew Loog Oldham und dem Stones-Promoter Tony Calder in London gegründeten R-&-B-Label Immediate Records. Beinahe schon klang sie wie eine Weiße, die Soul singt. Die Arrangements neigten zum Bombast, mit Streichern und Holzbläsern.

Ebenda knüpft der Britpopveteran Steve Cradock von der Band Ocean Colour Scene als Produzent von „The New Adventures of...“ an. Ausgepicht beleben Arnold und er den Geist von einstmals neu – mit einer ausgesprochen glücklichen Hand neu. Und die großartige Stimme der 72-Jährigen klingt derart, wie wenn nicht ein halbes Jahrhundert vergangen wäre.

Bei den mit ausschließlich analogem Instrumentarium samt Streichquartett und zum Schluss gar einer Kirchenorgel eingespielten Aufnahmen handelt es sich um Perlen von herrlicher Leichtigkeit und Frische, für die als pophistorische Referenzgröße weitaus eher Burt Bacharach und seine Priminterpretin Dionne Warwick stehen als Aretha Franklin.

Etliche Songs hat P. P. Arnold selbst geschrieben, teils zusammen mit unterschiedlichen Komponisten; zwei hat der Blue-Eyed-Soul-Sänger Paul Weller beigesteuert, auf ,,When I Was Part of Your Picture“ spielt er Bass und singt im Hintergrund. Steve Cradocks ,,The Magic Hour“ hat einen deutlichen Phil-Spector-Beat, wie überhaupt einigen Nummern ein Girlgrouptouch eigen ist, anderen wieder ein Hauch von Gospel. Je ein Song geht auf Mike Nesmith von The Monkees und Sandy Denny von Fairport Convention zurück.

Ein – verschmerzbarer – Schönheitsfehler: mit 15 Songs in 67 Minuten ist das Album ein wenig zu lang. Ungefähr nach zwei Dritteln der Zeit erschöpft es sich, ganz gleich wie großartig jeder Song für sich betrachtet auch ist, für eine Weile in seinen Mitteln – bevor es zum Endspurt ansetzt. P. P. Arnolds furiose zehnminütige Anverwandlung der frühen Bob-Dylan-Nummer ,,The Last Thoughts On Woody Guthrie“ erinnert, auch in der funky afroperkussiven Rhythmisierung, von fern an den Protorap von Gil Scott-Heron wie auch an den Talking Blues, auf den sich Dylan bezogen hatte.

Diese unverhoffte späte Selbstwürdigung beschert einen wunderbar unzeitgemäß großen Pop, sorgfältig abgeschirmt vor allen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte. Dies geschieht vollauf zu seinen Gunsten.

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