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Arlo Parks „My Soft Machine“: Lichtstrahlen wie Klingen

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Von: Christina Mohr

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Arlo Parks. Foto: Alex Waespi
Arlo Parks. © Alex Waespi

Krasse Themen im kuscheligen Wohlklang: „My Soft Machine“ von Arlo Parks.

In William S. Burroughs 1961 erschienenem Cut-up-Roman „The Soft Machine“ geht es darum, wie äußere Mechanismen auf den menschlichen Körper einwirken und ihn manipulieren. Dass Arlo Parks ihre neue Platte „My Soft Machine“ genannt hat, dürfte kein Zufall sein: Auch ihr 2021 veröffentlichtes Debütalbum „Collapsed In Sunbeams“ war voller literarischer Anspielungen, die titelgebende Zeile fand Parks in einem Roman von Zadie Smith.

Mit sensiblen, ihren Zuhörerinnen und Zuhörern direkt zugewandten Texten, in denen sie frappierend offen Depression, Eifer- und Sehnsucht thematisierte, avancierte die Westlondonerin mit französischen und nigerianischen Wurzeln in der Corona-Ära zur Stimme der Generation Z. Obwohl der Singer-/Songwriter-Soulpop von Anaïs Oluwatoyin Estelle Marinho alias Arlo Parks eher sanft und introvertiert klingt, stand die 22-Jährige auf allen großen Festivalbühnen, trat mit Florence and the Machine, Billie Eilish und Harry Styles auf, saß in den Shows von James Corden und Jimmy Fallon, warb für Nike, Gucci und Calvin Klein.

Der schnelle Erfolg mündete in Erschöpfung und Beinahe-Burn-out: Arlo Parks zog die Notbremse, sagte Konzerte ab und zog sich für eine Weile zurück. Um wieder zu sich zu kommen, ganz buchstäblich.

„My Soft Machine“ ist ein Album über Schmerz und Heilung, seelisch und körperlich. Der erste Satz der Platte lautet, „I wish I was bruiseless“, „Melt Right Into You“ der letzte. In den Texten geht es um blaue Flecken, Sonnenbrand und Lichtstrahlen, die den Körper der Freundin wie Klingen zu durchschneiden scheinen: Parks betrachtet sich und andere genau und mit poetischer Zärtlichkeit. Man zuckt beinahe zusammen, wenn sie in „I’m Sorry“ neben verschiedenen Strategien zur Verarbeitung von Liebeskummer ein deftiges „Fuck the pain away“ aufzählt (und Peaches zitiert).

Doch das ist nur eine scheinbare Diskrepanz: Der Reiz von Arlo Parks’ Songs besteht darin, dass im kuschlig-anheimelnden Wohlklang die krassesten Themen angesprochen werden. Wobei Parks auf der neuen Platte mehr Abwechslung zulässt, in die von Folk und Soul inspirierten Arrangements auch mal schreddernde Gitarren oder asiapoppig anmutende Melodieschnipsel einbaut.

Das ALbum:

Arlo Parks: My Soft Machine. Transgressive.

Wie ein Mantra

„Room“ zum Beispiel klingt nach einer Eighties-Synthiepop-Nostalgie, leicht, romantisch und verträumt. Die Lyrics handeln jedoch von seelischer Grausamkeit in einer manipulativen Beziehung: Parks wiederholt „pull up when you want me I would“ wie ein Mantra, eins ihrer bevorzugten Stilmittel. Auch in „Pegasus“, dem Duett mit Kollegin Phoebe Bridgers, versucht Parks, der Verzweiflung mit Beschwörungen beizukommen („I think you’re special ’cause you told me“), was nicht immer gelingt: „I know some things don’t get easier / I know some things hurt forever“, heißt es im Coming-of-Age-Track „Puppy“, in dem Filme von Wim Wenders von großer Bedeutung sind.

Überhaupt fallen in den Songs viele prominente Namen: Clare Danes, Mugler, Kim Deal, die Deftones, Juliette Binoche, lauter coole Referenzen – die dabei helfen sollen, die Nächsten zu verstehen.

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