Arctic Monkeys in der Festhalle: Eine Kusshand vom Tiktok-Star

Die „Arctic Monkeys“ preschen in der Frankfurter Festhalle durch ihre Songs.
Sind wir schon im Rockpalast oder noch im Beat-Club? Brauntöne changieren ins Orange wie in den 70ern, die Gitarrenmodelle sehen nach 60ern aus, und Alex Turner steht im offenbreitkragigen weißen Hemd und Jackett mit Hasselhoffesker 80er-Frisur auf der Festhallenbühne. „Maybe I was a little too wild in the 70s“ , fürchtet das lyrische Ich. Der Arctic-Monkeys-Sänger ist 1986 in Sheffield geboren.
Spielerisch basteln die Arctic Monkeys nostalgische Einflüsse und Elemente zu einem „Retro“ zusammen, dessen Original es nie gab. „Floating down the endless stream of great TV / 1984, 2019“, singt Turner mit seiner leicht knarzigen, aber croonig unterfütterten Stimme, die gern mal in quer zum Rhythmus holpernden Sprechgesang verfällt. Meistens postpunkig bis garagenrockig prescht die Band durch Nummern aus allen sieben Studioalben. Dass die loungigeren Momente der beiden jüngsten Alben eher eine Nebenrolle spielen, hat viel mit dem Sound zu tun, der einige Feinheiten frisst. Auch das Teenagergekreische schluckt Details.
Moment was bitte? Teenager? Wo kommen die denn her? Die Arctic Monkeys gibt es seit 20 Jahren, ihr erstes Album „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ legte 2006 in Großbritannien den besten Verkaufsstart eines Debütalbums hin. Nach „Favourite Worst Nightmare“ (2007) hatten sie mit etwas experimentelleren Songs und diversen Nebenprojekten eine ruhigere Phase, 2013 brachte „AM“ den zweiten Frühling, den Hit „Do I Wanna Know“ und ein leicht verjüngtes Publikum. Aber Teenager?
Warum auch immer: Seit ein paar Jahren schon sind die Arctic Monkeys, eine der ersten über dieses Internet berühmt gewordenen Bands, ein großes Ding auf Tiktok. Deshalb sitzen gestandene Fans der ersten Stunde und Alternative-Schwarzkittel der zweiten Welle verdutzt neben bauchfreien Mädchen und stimmbrüchigen Jungs in elterlicher Begleitung. Schon eine Kusshand von Turner löst schrille Schreie aus wie weiland Justin Bieber. Viel mehr Publikumsdialog gibt es auch nicht. Die Bühnenshow dominieren ein runder Großbildschirm im Badezimmerspiegelstil, dessen Farbigkeit wie per Instagram-Filter auf Röhrenfernseher getrimmt ist, und primärbunte Scheinwerfer, als sei der Laser noch nicht erfunden. Nur einmal neont es Türkis und Magenta wie in der Telefonfirmenwerbung: Die dekonstruktivistische Zeitmaschine steht wohl gerade auf „90er“.
Den Saal vorgewärmt haben Inhaler aus Dublin, deren Debütalbum „It Won’t Always Be Like This“ 2021 die irischen und britischen Charts toppte. Auch ihr Zweitwerk „Cuts & Bruises“, im Februar erschienen, ist auf den Inseln gut platziert. Ein bisschen straighter als die Arctic Monkeys klingt Inhaler, rotziger.
Die arktischen Affen eröffnen mit dem treibenden Bass von „Sculptures of Anything Goes“ vom aktuellen Album „Cars“, von dem sie auch „Big Ideas“, „Body Paint“ und „There’d Better Be a Mirrorball“ auf der Setlist haben. Letzterer, eine gigantische Diskokugel mit „Monkeys“-Schriftzug, stimmt auch auf die spätere Zugabe „I Bet You Look Good On the Dancefloor“ ein. Die Fans goutieren den Indie-Punk der frühen Alben („505“, „Brianstorm“) ebenso wie die Stonerrock-Phase der mittleren Jahre („Why’d You Only Call Me When You’re High?“), die neueren Songs holen den Nachwuchs ab: Die Mitsingstimmen werden höher, das Geschehen auf der Bühne wird noch öfter per Smartphone verfolgt. Zur letzten Zugabe „R U Mine?“ werden erste Elterntaxis angerufen.