Antonio Pappano und Seong-Jin Cho: Die Fülle des Wohllauts

Das Orchestra dell’Accademia Nationale di Santa Cecilia mit Antonio Pappano, Seong-Jin Cho und schöner Moderne.
Ein Rasen im ersten, ein Ringen im zweiten Teil, aber insgesamt ein Programm, bei dem die Moderne sich von ihrer wohlklingenden, am wohlsten klingenden Seite zeigte. Sergej Prokofjews 1. Sinfonie, die „Klassische“, entstand während des Ersten Weltkriegs, aber Haydn war das Vorbild, aber das Ergebnis wirkt überhaupt nicht rückwärtsgewandt, sondern jazzt in Richtung Zukunft, wie es sich geziemt, wenn die Wiener Klassik ins Spiel kommt.
Beim Alte-Oper-Konzert in Frankfurt war das umso eindrucksvoller zu hören, als Antonio Pappano und das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in großer, vertrauter Einigkeit auf ein immenses Tempo und zugleich die filigrane, transparente Ausformung aller Details setzten. Das muss man können, sie können es. Die gegenwärtige Tournee des italienischen Sinfonieorchesters ist auch eine Abschiedstour mit ihrem zum Ende der Saison scheidenden Chefdirigenten (der Brite Pappano geht zum London Symphony Orchestra, als Nachfolger Simon Rattles). Gute Zeiten müssen das gewesen sein, auch war es eine lange Zeit, 18 Jahre. Pappano ist offenbar von jenem Schlag, der kommt, um zu bleiben, nicht das einzige, was an ihm sympathisch wirkt. Am Pult gelingt es ihm, salopp auszusehen und keine Fragen offenzulassen.
Perfekt zum Prokofjew dann Maurice Ravels Klavierkonzert in G-Dur, das ebenfalls einen sehr hohen Unterhaltungswert hat und erst recht hatte im Zusammenspiel mit dem koreanischen Jungstar Seong-Jin Cho, 1994 in Seoul geboren. Die Jazz-Elemente, nun buchstäbliche Jazz-Elemente, waren prächtig umgesetzt, man hörte ein wahnsinnig gewordenes Tanzorchester und einen genialischen Barpianisten, der in sich ruhend die Musik zusammenrührte. Als wäre das alles noch nichts gewesen und keine Anstrengung, spielte er als Zugabe die Schlussvariationen aus Händels E-Dur-Suite, und er spielte sie atemberaubend.
Es ist erschütternd, auch wenn es sich im Nachhinein alles einebnet, dass die Lebenszeit von Jean Sibelius die der beiden früh gestorbenen Kollegen locker einschließt. Die 5. Sinfonie des Finnen war nach der Pause zu hören, das Orchester nun in eine elegische, sämige Klangfarbe wechselnd. Sibelius hatte schwer mit dem Werk gerungen, schwerfälliger nun auch die Dampflok, die sich am Ende des ersten Satzes in Gang setzt, um abrupt zum Stehen zu kommen.
Überwältigend – und der Grund, die Sinfonie so oft wie möglich ins Programm zu nehmen – das langgestreckte Finale mit jenem drängenden, ruhigen, ewig und doch nicht oft genug wiederholten Schwanenflug-Thema. Das italienische Orchester zeigt auch hier seine Klasse, über Jahre mit Pappano zusammen wieder erarbeitet.