Andrey Shabashev: Der Mann am Klavier hebt gerne ab

Andrey Shabashev, Träger des Arbeitsstipendiums Jazz, in der Romanfabrik.
Andrey Shabashev macht keine Gefangenen. Der 1984 in der nordwestrussischen Hafenstadt Archangelsk geborene Pianist, der seit 1984 in Frankfurt lebt, ist einer, der ranwill an sein Publikum. Nachholend hat er nun bei einem von der Jazzinitiative ausgerichteten Konzert von Kulturdezernentin Ina Hartwig in der Romanfabrik das 32. Arbeitsstipendium Jazz der Stadt Frankfurt ausgehändigt bekommen, jenes des Jahres 2022 (das des laufenden Jahres wird im Herbst folgen). Ausgesprochen melodiös ist Shabashevs Musik, im Konzert mit seinem Trio Shaba geht sie einen erheblichen Kick mehr nach vorne weg als auf dem im vergangenen Jahr erschienen Debütalbum ,,Pictures of the White North“. Der ,,weiße Norden“, das ist die nahe dem Polarkreis gelegene Heimatregion des Pianisten, und ein nordisch-impressionistischer Zug ist der Musik eigen.
Die impressionistische Seite – die Jury des Stipendiums spricht auch von „Neoklassik“ – tritt im Konzert ein wenig in den Hintergrund. Ungemein die musikalische Beredsamkeit. In schillernder Polyvalenz und mit einem fulminanten, klangmächtigen Sound changiert das Trio mit dem Bassisten Hanns Höhn und Benno Sattler am Schlagzeug zwischen anfänglichen Momenten von gepflegtem Barjazz und Easy Listening und einer rhythmisch akzentuierten Verve in popaffinen Gewässern, mit psychedelischen Orgelsounds und Anklängen von Electronica vom Keyboard. In einer Nummer schimmert gar ein Zug von Metallriff durch den mit dem Bogen gestrichenen Bass.
Shabashev gefällt sich als Pyrotechniker am Klavier, gerne hebt er von seinem Hocker ab. Doch er erschöpft sich nicht im Effekt. Die klangwütige Tastenarbeit ist in ihrer spielerischen Art durchaus gefällig, dabei ausgesprochen nuanciert. Besonders Horace Silver und Herbie Hancock lassen sich als jazzhistorische Zeugen in Anspruch nehmen, auf der anderen Seite ist der Einfluss der europäischen Musiktradition offenbar.
Traumhaft brillantes Trio
Eine triftige Wahl der Jury. In jedem Fall ist Shabashev ein Stilist von eigenem Recht, und sein Trio ist traumhaft brillant. Hanns Höhn spielt den Bass melodisch denkend, in einer federnden Art zupackend und treibend ist das raumgreifend polyrhythmische Spiel von Benno Sattler am Schlagzeug. Ein ukrainisches Vokslied, ,,Sowed Rye“, findet sich im Repertoire des Abends wie auch schon des Albums, was angesichts des bereits länger andauernden Konflikts eine politische Lesart zulässt, auch wenn das Album bereits 2021 eingespielt worden ist.
Von diametral entgegengesetzter Art ist das Duo Burkhard Kunkel, Bassetthorn und Bassklarinette, sowie verschiedentlich Zither und das indische Borduninstrument Shrutibox, und Bob Degen, Klavier, das den Abend eröffnete, mit dem exzellenten neuen Album ,,Two Geese By the River“ im Rücken. Da erklingen in einer Begegnung auf Augenhöhe furios karge Texturen in einer komplexen Formsprache zwischen Komposition und Improvisation.