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Alice Cooper in der Jahrhunderthalle: Folterinstrumente zu Konfettikanonen

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Von: Volker Schmidt

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Alice Cooper mit Nita Strauss in Zwickau.
Alice Cooper mit Nita Strauss in Zwickau. © IMAGO/Eibner

Auch Alice Cooper ist wieder auf Tournee und macht Station in der Jahrhunderthalle

Alice Cooper ist tot. Mal wieder. Die Guillotine fällt, der Kopf poltert, Ehefrau Sheryl präsentiert ihn der jubelnden Menge. Wenige Takte später stolpert der ganze Cooper aus einem Sarg zurück auf die Bühne der Jahrhunderthalle. Musikeralltag, seit Jahrzehnten schon. Bestimmt gut für die Halsfaszien.

Bei Alice Cooper ist das ganze Jahr Halloween. Die von 74 Jahren Leben ins Gesicht geschnittenen Furchen verbinden sich harmonisch mit den geschminkten Augenringen. Vincent Damon Furnier hieß er bei seiner Geburt; als Alice Cooper trat er seine Solo-Karriere in der Rolle des morbiden, überschminkten Grufttypen an. Davor hieß seine Band so.

Dreckig oder dauergewellt

Erstmal wärmt Michael Monroe das Publikum an, mit blonder Mähne statt nachtschwarz wie Cooper und im Vergleich ein Jungspund: Zum Tourstart ist er 60 geworden. Er kam in Helsinki als Matti Antero Kristian Fagerholm zur Welt. Bekannt wurde er als Sänger von „Hanoi Rocks“. Sein Hard- bis Hair Rock rumpelt manchmal Motörhead-dreckig, manchmal gepflegt dauergewellt.

Alice Cooper ist ein anderes Kaliber. Gleich zum Opener „Feed My Frankenstein“ kommen das erste Monster und das erste Bombast-Gitarrensolo; viele weitere folgen. Über „No More Mr Nice Guy“, „Bed Of Nails“, „Hey Stoopid“ und „Fallen In Love“ arbeitet Cooper sich im Repertoire chronologisch vorwärts. Seine Bühne ist seine Burg, der Zylinder sitzt, der Gehstock wirbelt. Das Kostüm wechselt: Dracula-Frack, blutbeflecktes Hemd, Zwansgjacke.

Wer schon 2017 da war, erkennt in dieser Kirmesgeisterbahn vieles wieder: Warum neu erfinden, was zwar ein bisschen albern, aber eine der bestinszenierten Shows im Rockhandwerk ist? Naja: Voll bekommen hat er die Hütte damit nicht, auf den Rängen klaffen gigantische Lücken.

Vom viel gelobten jüngsten Album „Detroit Stories“ mit seiner rauen Garagen-Rock-Nostalgie hat es nur „Go Man Go“ auf die Setlist geschafft. Zu dick ist der Kultkatalog: „I’m Eighteen“, „Billion Dollar Babies“, „Under My Wheels“ und natürlich „Poison“, schon zur Halbzeit. Auch komplexere Kompositionen wie „Roses on White Lace“ oder „My Star“. Schlagzeug (Glen Sobel), Bass (Chuck Garric) und drei Gitarren (Nita Strauss, Ryan Roxie, Tommy Hendriksen) powern instrumentale Pyrotechnik ins Publikum, die Gitarren gern unisono oder im mehrstimmigen Satz. Cooper schreitet in engen Hosen sportlich über die Bühne. Die Stimme knarzt wie eh und je. Zwischendurch verschwindet er hinter den Kulissen, überlässt der Band eine ganze Serie von Saiten- und Drum-Soli.

Gegen Ende verdichten sich die Grusel-Paraphernalia, vermeintliche Folterinstrumente entpuppen sich als Konfettikanonen, bucklige Mönche, bleiche Blutbräute und geisterhafte Schwellköpfe wimmeln über die Bühne in einem Dramolett aus „Steven“, „Dead Babies“, „I Love the Dead“ und „Escape“. Zum letzten Song „Teenage Frankenstein“ kehrt das Monster vom Anfang zurück.

Die Zugabe „School’s Out“ zelebriert Cooper mit Bandvorstellung, Riesenballons voll Papierfitzelchen und einer Einlage aus Pink Floyds Anti-Schul-Song „Another Brick In the Wall“. Alles wie immer also.

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