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Aldous Harding „Warm Chris“: Das Leben schwingt die Peitsche

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Von: Stefan Michalzik

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Aldous Harding, Song um Song anders. Foto: Emma Wallbanks
Aldous Harding, Song um Song anders. © Emma Wallbanks

Die ,,Song-Schauspielerin“ Aldous Harding mit ihrem Album „Warm Chris“.

Was die Sparsamkeit der Arrangements anbelangt, knüpft Aldous Harding mit „Warm Chris“, ihrem vierten Album, an „Designer“ an, das Ende 2019 hohe Ränge in den Bestenlisten eingenommen hat. „Designer“ stellte eine Wendemarke in dem Werk der 1990 als Tochter einer Folksängerin im neuseeländischen Hafenort Lyttleton geborenen Sängerin und Songschreiberin dar. In ihren Anfängen hatte sie mit einigem pathetischen Furor von düsteren Dingen wie Ängsten und inneren Dämonen gesungen. Nun war da auf einmal eine neue – wenn auch doppelbödige – Leichtigkeit.

Aldous Harding setzt ihre Stimme Song um Song immer wieder ganz anders ein. Vom Folk-Sopran bis hin zum dunklen Chanteusen-Timbre. Die Stimme, hat sie kürzlich in einem Interview gesagt, benutze sie wie ein Instrument, sie sehe sich als „a song actor“, als Song-Schauspielerin.

Produziert wurde „Warm Chris“ wiederum von John Parish, der sich durch seine Arbeit unter anderem für PJ Harvey, die Eels und Giant Sand einen Namen gemacht hat. Prägend sind vor allem Fender-Rhodes-Piano und Hammond-B3-Orgel. Vereinzelt tauchen im Hintergrund Blasinstrumente wie Baritonsaxofon und Flügelhorn auf, mal auch wird das Schlagzeug mit Besen gespielt. Gast auf „Leathery Whip“ ist Jason Williamson, bekannt als die belfernde Stimme der Sleaford Mods, hier in einer ungeahnten Rolle als dezent-präsenter Harmoniesänger. Parishs Tochter Hopey übernimmt launig quäkend den Refrain. Das mutet an wie die Studiofasson eines abendlichen Singens auf der Veranda eines Farmhauses.

Das Album:

Aldous Harding: Warm Chris. 4AD/Beggars/ Indigo.

Da steckt Humor drin

Da ist auf der einen Seite der Songwriterfolksong, zugleich nähern sich, wie schon auf „Designer“, einige Stücke dem Softrock der 70er an. Die Titelnummer, „Warm Chris“, an sich eine Akustikgitarrenballade, ist durchsetzt mit Einwürfen eines Rockgitarrenriffs. In der schwermütigen Ballade „Staring At the Henry“ hat Harding das Quaken einer Ente zwischen die Verse gestreut, was von einigem Humor und einer gewissen Selbstironie zeugt. „You can have the pelican/Swim him til the river’s running clear“ singt sie in „Passion Babe“ in einem kunstvollen Malcanto, der ein wenig an Nico erinnert. Das lässt sich als sarkastischer Kommentar zum ökologiepolitischen Desaster ausdeuten – ob’s so gemeint ist, bleibt offen. Es folgt die fast schon engelsgleiche Klavierballade „She’ll Be Coming Round the Mountain“.

Vom einstigen „Gothic Folk“ kann keine Rede mehr sein. Das Album geht bei aller Finesse und allem Reichtum der Details leicht ins Ohr – Abgründe in den Texten gibt es nach wie vor mannigfach, in zuweilen humoriger Gestalt. „Here comes life with a leathery whip“, heißt es in der Schlussnummer, frei übertragen: das Leben schwingt die Lederpeitsche.

Als unergründlich und wundersam wird Harding in der Rezeption immer wieder charakterisiert. Tatsächlich sind da Momente einer kryptischen Symbolik, Harding spielt mit dem Uneindeutigen. Bitten um Aufklärung mag die Aldous-Huxley-Verehrerin – daher rührt ihr Künstlerinnenname – nicht nachkommen. „Würde ich alles genau erklären, wäre es nicht mehr sexy, geschweige denn interessant.“

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