Album „STRG+X“ des Simon Lucaciu Trios: Unter kühlendem Einfluss

Das Trio um den Pianisten Simon Lucaciu mit seinem Debut-Album „STRG + X“.
Im Kontext der improvisierten Musik gibt es zurzeit eine Vielzahl von Klaviertrios. Die bekanntesten sind wohl die von Pablo Held und Michael Wollny, dazu Grünen oder auch Punkt.Vrt.Plastik. Wenn man diese vier nebeneinander hält, kann man staunen, was für ein unglaubliches Charakterspektrum an Musik in diesen Trios entstanden ist. Und vielleicht ist das Trio in der improvisierten Musik ohnehin die Konstellation, in der sich Neues am deutlichsten vorbereitet und entwickelt. Wenn man den Blick auf die Parameter richtet, die hier musikalisch verhandelt werden, dann geht es in diesen Klaviertrios zurzeit vordringlich um eine Neudefinition des Verhältnisses von Improvisation und Komposition sowie um eine Material-Anreicherung aus dem weiten Segment der Neuen Musik.
Avantgardistische Vorbilder
So profiliert unterschiedlich und differenziert aktuelle Klaviertrios auch arbeiten, ist aber noch reichlich Platz für mehr. Zum Beispiel gibt es kaum Charaktermerkmale, in denen sich das Simon Lucaciu Trio nicht von den anderen Trios unterscheidet – obwohl in den Liner Notes zum Debüt-Album ehrenwerte avantgardistische Vorbilder und übrigens auch das schon genannte Trio Punkt.Vrt.Plastik namhaft gemacht werden.
Im Jazz-Vergleich gehören die drei mit ihren jeweils weniger als drei Lebensjahrzehnten noch fast zur Jugend. Der gemeinsame Weg, den sie gefunden haben und gestalten, hat früh im Vogtland begonnen, wo alle drei aufgewachsen sind und 2016 die Band gründeten. Ein Jahr später zogen sie nach Leipzig, wo nicht nur Bach, das Gewandhaus und die Thomaner den Traditions-Horizont markieren, sondern längst auch, ausgehend nicht zuletzt von der Musikhochschule, eine Jazz- und Improvisations-Szene sich verortet, die die Stadt zur dritten wichtigen deutschen Jazz-Hauptstadt neben Köln und Berlin entwickelt.
Das Album
Simon Lucaciu Trio: STRG + X. HatHut Records/ www.ajazz.de.
Simon Lucaciu am Klavier, Florian Müller am Bass und Lucas Heckers am Schlagzeug agieren scheinbar mit einem hohen Maß an Freiheit: Niemand nimmt eine überlieferte Rolle ein, der Gruppenklang ist egalitär, enorm transparent und mit äußerster Sorgfalt gestaltet. Schwer zu glauben, dass das hohe Maß an emotionaler Dichte, rhythmischer Variabilität und filigraner Präzision ohne einen vorab ausgearbeiteten Plan möglich wäre.
Die Wahrheit liegt aber nicht in der vielbesungenen Mitte zwischen Freiheit und Spontaneität, sondern eher jenseits davon. Die Musik ist das Ergebnis freier Improvisation und nachdrücklich verfolgter Eigenständigkeit. Es gibt eine hohe Raffinesse im komponierten Material, aber keine Üppigkeiten, sondern klares, knappes Linienwerk. Es gibt einen beträchtlichen kühlenden Einfluss aus der sogenannten Neuen Musik, aber auch einen unablässigen, nie metrisch gleichförmigen energetischen Drive, dazu eine Liebe zum Melodischen, wie es in der Neuen Musik eher untypisch wäre.
Es gibt, kurz gesagt, einen großen Reichtum an Überraschungen, und sie kommen alle wie mit einem vorgängigen Reinheitsgebot daher: gut gefiltert, nie vorlaut, mit frappierender Offenheit und dreifach bestechender Spielkultur. Der Magnetismus, der von dieser Musik für ihre Hörerinnen und Hörer ausgeht, ist enorm.