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Zierfisch auf Karriereleiter

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Das Autorinnen-Duo Dracker und Werner will der Frauenfreundschaft letzte Geheimnisse ablauschen

Von KAREN KNOLL

Nicht nur die Fernsehserien, sondern auch die Soziologie hat sie längst entdeckt: die Frauenfreundschaften. Die Autorinnen Stefanie Dracker und Barbara Werner haben sich nun vorgenommen, auf dem direkten Weg, nämlich durch Recherchen im eigenen Freundeskreis, zu ergründen, "was dran ist an der viel diskutierten - und oft verklärten - Frauenfreundschaft". Dazu gehen sie zunächst chronologisch vor, berichten, wie die neue, erste Freundin den eigenen Alltag verändert, wie sie Einblicke in ein anderes Familienleben ermöglicht, schildern Kindergeburtstage und das tragische Auftauchen einer weiteren "guten" Freundin, die das sensible Zweier-Gefüge aus dem Gleichgewicht bringt, erzählen von gemeinsam überstandenen Verwirrungen der Pubertät, ersten Annäherungen an das andere Geschlecht. Der engen Kinder- und Jugendfreundschaft folgen schließlich im Laufe des Studiums oder der Ausbildung "viele Freundinnen für viele Gelegenheiten".

Solche Erinnerungen, wie in diesem ersten Kapitel des Buches festgehalten, mag man zunächst noch ganz originell finden, möglicherweise die eine oder andere der beschriebenen Begebenheiten sogar schmunzelnd mit der eigenen Vergangenheit abgleichen, doch sobald aus den Sandkastenfreundinnen Frauen geworden sind, verengt sich der Blick der Autorinnen. Freundschaft zwischen Frauen wird nun über das Verhältnis zum Mann definiert. Wenn man die Freundin tröstet und berät, geht es im Grunde nur darum, "ganz nebenbei Erfahrungen für die eigene Suche nach dem Richtigen zu sammeln".

Gesucht wird der Richtige

Und dass es unbedingt der Richtige ist, daran lassen die Autorinnen keinen Zweifel. Erotische Anziehung zwischen Frauen, zwischen Freundinnen gar, ist nicht mehr als ein Abenteuer, eine Erfahrung, die es im Leben auch zu machen gilt, die sogar Männer "eher amüsiert und in ihrer Phantasie beflügelt". Die Autorinnen interessieren sich also allein für das heterosexuelle Beziehungsgefüge in unserer Gesellschaft. Und da wollen sie erfahren haben, dass eine wirklich gute Freundin zwar an alle Eventualitäten denkt, wenn es um das Liebesglück ihrer Freundin geht, dieses Engagement aber allein ihrem Sinn für Romantik zu verdanken ist, "den man als Frau nicht immer nur in Spielfilmen wie E-Mail für dich, Notting Hill oder Green Card ausleben will". Aufrichtigkeit oder Einfühlungsvermögen, gar Uneigennützigkeit scheinen, glaubt man den Beschreibungen der Autorinnen, keine Eigenschaften einer Freundschaftsbeziehung zwischen Frauen zu sein.

Dass das befreundete Autorinnen-Duo Dracker und Werner diese Voraussetzungen einer Freundschaft nicht wahrnimmt, mag allerdings daran liegen, dass sie ihre Recherchen im Freundeskreis offenbar auf deren Videovorrat beschränkt haben. Denn den Frauen, die zu beschreiben sie vorgeben, den Freundinnen in ihrem eigenen Leben, mangelt es an jeglicher Authentizität. Unerträglich oft finden sich Verweise auf Schauspielerinnen wie Meg Ryan oder Julia Roberts (da ist die eine Frau eher ein Meg-Ryan-Typ, die andere eher ein Julia-Roberts-Typ). Ganze Seiten werden mit der dialogischen Wiedergabe von Sex and the City, Stadtgespräch oder Frau Rettich, die Czerny und ich gefüllt, völlig distanzlos wird aus den Büchern der Bestsellerautorin Ildiko von Kürthy zitiert.

Für die Autorinnen sind vorgefertigte Bilder dieser Art unhinterfragtes Material ihrer Auseinandersetzung. Auf dieser Grundlage fertigen sie verschiedene Szenerien, plaudern sich, unter Nennung möglichst vieler Markenartikel, am Thema vorbei und reihen so Klischee an Klischee. Da hält eine der Frauengestalten ebenso verbissen an ihrer Traumfigur fest wie an ihren Grundsätzen: Erfolg, Karriere, Geld, Unabhängigkeit; eine andere verzichtet auf ihre Karriere und stellt das "Mikrowellen-Schlüsselset in die Schränke ihrer weißlackierten Bulthaupt-Küche".

Und während sich also die "Karriere-Freundin" zu Hause auf eine Präsentation vorbereitet, platzt die "Mutter-Freundin" instinktlos mit Kind auf dem Arm herein, den gebrochenen Fuß der Freundin samt ihren Arbeitsstress übersehend, und redet nur vom eigenen Kind: "Sie ist Hausfrau und Mutter geworden und ihr aktuelles Großprojekt ist ein Teich mit Zierfischen und Seerosen hinter dem Haus, während wir weiterhin unermüdlich auf der Karriereleiter herum klettern und häufiger unterwegs als daheim sind." Übertroffen werden diese Darstellungen noch von den Dialogen zwischen Mann und Frau, in denen der Mann überlegen wirken kann und natürlich auf Geschäftsreisen auch fremdgeht.

Wir Meg Ryans

Wer hätte, trotz des trendigen Sprachstils, den die Autorinnen pflegen, geahnt, dass sie so flach daher plappern? Noch in ihrem Vorwort verweisen sie doch immerhin auf berühmte Frauen und deren Freundinnen, Frauen, die ihr Leben keinem Drehbuch verdanken wie Gertrude Stein und Alice B.Toklas, Virginia Woolf und Vita Sackville-West. Doch dann heißt es kategorisch: "Diese Frauen bleiben immer besondere Frauen: Künstlerinnen-Außenseiterinnen - ganz anders als wir." Als wir? Wir Meg Ryans? Kein Zweifel, die Autorinnen haben sich in ihren seichten Medienvorlagen verfangen und so erfährt man nichts über Realität von Freundschaften zwischen Frauen. Das geistige Vermögen der Frauen, urteilte Montaigne in seinem Essay "Über die Freundschaft" sei "den gewöhnlichen Anforderungen des engen Gedankenaustausches und Umgangs nicht gewachsen, aus denen der heilige Bund der Freundschaft hervorgeht". Die Gelegenheit, dem zu widersprechen, haben die Autorinnen verschenkt.

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