Timothy Snyder: Bleibe ruhig, wenn das Undenkbare geschieht

Timothy Snyders Hörbuch „Über Tyrannei“: Wichtige Lektionen für das Verhalten bei autoritären Politikern wie Donald Trump und Wladimir Putin.
Es sind Lektionen für den Widerstand. Timothy Snyders Buch „Über Tyrannei“ gilt als eines seiner besten. Und das, obwohl es gemessen an seinen Monographien zum Holocaust nur wenige Seiten umfasst. Aber ihm ist es gelungen, auf wenigen Seiten viel Wissen zusammenzufassen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. In dem Buch steht, wie man eine Demokratie schützt und es gibt auch Tipps, wie man sich unter einer tyrannischen Herrschaft verhalten sollte.
Nun hat der C.H. Beck-Verlag die kleine Schrift als ein Hörbuch herausgegeben. Gelesen wird die politische Schrift von dem Schauspieler, Hörspiel- und Hörbuchsprecher Ulrich Matthes. Er trägt Zeile für Zeile in ernstem Ton vor. Denn es geht um nicht weniger als den Ausnahmezustand für Menschen: Wenn sich plötzlich alles verändert, über Nacht gewohnte Verhältnisse umgestürzt werden, nichts mehr so ist, wie es einmal war. „Bleib ruhig, wenn das Undenkbare eintritt“, lautet eine der Lektionen in Snyders Buch. Es geht chronologisch in Bezug auf Verschlechterung der Verhältnisse vor. Betrifft die erste Lektion noch die Gegenwart, so ist zum Ende hin die politische Situation besonders schlecht. Snyders Lektion lautet: Wir müssen eben schon heute wissen, was wir in sechs Monaten tun müssen, wenn es wirklich so kommt, wie im schlimmsten Fall angenommen. Es geht darum, die Demokratie zu schützen, aber auch, in einem totalitären Regime zu überleben. Wenn man heute die Ansicht hat, dass die Situation von heute schlechter werden kann, muss man vorausschauend Handlungshinweise geben. Auf diese Weise wird von Snyder der Versuch gemacht, vor allem die Perspektive der Amerikaner zu verändern. Man muss wissen, wohin die Reise gehen könnte.
Die Schrift wurde unter dem Eindruck der Präsidentschaft Donald Trumps in den USA verfasst. Snyder ist so eine Art Frühwarnsystem. So weist er auf eine Oligarchenbildung in den USA hin, die derjenigen in Russland gleiche. Er vergleicht Trump mit Politikern der dreißiger Jahre. Diese Zeit ist für ihn wie eine Folie, die über negative Entwicklungen der Gegenwart gelegt wird. Denn sie demonstriere, zu was der Mensch fähig ist, wenn sich die Dinge zum Negativen entwickeln. Dann könne es eben dazu kommen, dass ganz normale Menschen mit Gewehren an Todesgruben stünden, um andere zu erschießen - wie es im Zweiten Weltkrieg der Fall gewesen war.
Das Hörbuch
Timothy Snyder: Über Tyrannei: C.H. Beck, Hörbuch, 20 Euro.
Verblühende Demokratien
Snyder erinnert an die Fragilität der Demokratien. Es habe drei große Wellen gegeben, in denen demokratische Systeme auf- und dann wieder verblühten. Das sei nach dem Ersten Weltkrieg der Fall gewesen, als auf den Trümmern der untergegangenen Imperien neue Nationalstaaten entstanden seien, die demokratische Verfassungen erhielten. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Welt eine Demokratisierungswelle, das Gleiche nach dem Fall der „Berliner Mauer“. Aber viele dieser Demokratien gerieten schnell in Krisen, die denjenigen gleichen, die wir heute in Polen oder Ungarn erleben.
Snyder fordert dazu auf, dass die Menschen den Mut haben, sich der Wahrheit zu stellen. Sie sollen Dinge wie Berufsehre, den Willen zur Wahrheit wertschätzen, aber auch Außergewöhnliches tun, „ein Zeichen setzen“, so wie die US-Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die sich geweigert hatte, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast zu räumen. Snyder sagt: Wenn jeder etwas tut, wird es genug sein.