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Thomas Brussig gegen S. Fischer: Wort gegen Wort

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Von: Judith von Sternburg

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Der Autor Thomas Brussig.
Der Autor Thomas Brussig. © dpa

Thomas Brussig verlässt S. Fischer und macht dem Verlag Vorwürfe, die dieser sogleich zurückweist.

Eine unerwartete, traurige Geschichte stand am Freitag im Raum, bei der es sich vielleicht vor allem um ein Kommunikationsproblem handelt. Kommunikationsprobleme sind allerdings keine Bagatelle. Für einen Verlag sind Kommunikationsprobleme eine Katastrophe.

Der Schriftsteller Thomas Brussig, Autor unter anderem des Nachwendeknallers „Helden wie wir“ (1995), schickte am Freitag also einen Brief an die S.-Fischer-Verlegerin Siv Bublitz, auch an etliche Literaturkritiker, Literaturkritikerinnen, Feuilletonredaktionen. Darin kündigt er das Ende seiner Zusammenarbeit mit Fischer an und bittet den Verlag, ihm die Rechte an seinen Büchern zurückzugeben. Brussig spricht von „einem fast drei Jahre währenden Zwist“ im Zusammenhang mit seinem Roman „Das gibts in keinem Russenfilm“ (2015). Auch das eine Parodie, diesmal über den Fortgang der Dinge, wenn die DDR 1989 nicht untergegangen wäre.

Brussig, 1964 in Ostberlin geboren, schildert unter anderem die (reale) Geschichte seines unerlaubt geführten Wehrdienst-Tagebuchs, dessen Entdeckung scharf geahndet wird. „Mein ehemaliger Kompaniechef“, schreibt er nun, „meldete sich irgendwann beim Verlag, weil er nicht einverstanden damit war, welche Rolle er in meinem Roman spielt, und forderte u.a. Schadenersatz, Verbot des Buches, und er stellte noch allerlei sonstige Forderungen auf, die rechtlich allesamt unhaltbar waren“. Statt diese aber „rundweg abzulehnen“, so Brussig im Brief an Bublitz, „strebten Sie eine Einigung an, in der sich der Verlag verpflichten wollte, meinen Roman nicht mehr abzudrucken.“

Der „moralische Kompass“

Er habe klargestellt, dass die Haltung des Verlags in dieser Sache für ihn keine Lappalie sei. „Trotzdem halten Sie an Ihrer Entscheidung fest.“ Brussig erwähnt den „Verlagsrausschmiss Monika Marons“. Er erklärt, seine „Erfahrungen mit Ihrem (also Siv Bublitz’) moralischen Kompass“ seien nicht ermutigend. „Sie opfern mein Buch, wenn eine Klage droht, obwohl Sie wissen, dass ein Gericht mein Buch schützen wird. Ich möchte meine Bücher nicht mehr in Ihren Händen wissen.“

Der Verlag hingegen zeigte sich auf Nachfrage überrascht und erklärte ebenso klipp und klar: „Zu keinem Zeitpunkt haben wir erwogen, den Roman nicht mehr nachzudrucken, vom Markt zu nehmen oder ganze Passagen zu ändern.“ Angeboten habe der Verlag dem Ex-Kompaniechef, seinen Namen in künftigen Auflagen zu streichen. Die Justitiarin des Hauses schätzt die Erfolgsaussichten im Falle einer (tatsächlich bisher nicht erfolgten) Klage offenbar nicht ganz so gering ein. Dem Verlag sei es darum gegangen, „den Text vollständig weiter lieferbar zu halten“. De facto sei „Das gibts in keinem Russenfilm“ in allen Formen (fester Einband, Taschenbuch, E-Book) unverändert lieferbar und eine neue Auflage aktuell nicht in der Diskussion.

Die Verlegerin bedauerte am Freitag Brussigs Entschluss „außerordentlich“. Das klingt endgültig, es klingt auch eher kühl. Müssten die Telefone nicht vielmehr heiß laufen zwischen Verlag und Autor, zu jeglicher Stunde, aber jetzt erst recht? Wie können sich ein Autor und ein Verlag so missverstehen, wenn es ein Missverständnis ist?

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