Stempeln gehen
Eine Schnitzeljagd als bodenständiger Beitrag zu "LiteraTurm"
Von JAMAL TUSCHICK
Seit Jahr und Tag macht der Frankfurter Verleger Axel Dielmann mit Aktionen von sich reden, die einen besonderen Einfallsreichtum bezeugen. Zuletzt organisierte er, mit Unterstützung der Saalbau-GmbH, eine literarische Schnitzeljagd. Diese wollte er auch als im Wortsinn bodenständigen Beitrag zum Frankfurter "LiteraTurm"-Fests verstanden wissen wollte.
Für Fußgänger hatte der Parcours 22, für Radfahrer 25 Stationen. Jeder Teilnehmer wurde mit einem literatur- und stadtgeschichtlich angelegten Formular ausgerüstet, das es zu ergänzen galt. Ausgangspunkt war der Eiserne Steg, das Ziel der Mousonturm. Die Fußgängerrouten lagen im Anlagenring, als Radfahrer musste man etwa bis zum Bockenheimer Bürgertreff Titania, wo vor 91 Jahren Rosa Luxemburg mit einem Vortrag der Obrigkeit so unangenehm auffiel, dass ihre Verhaftung anstand. Sieben Streckenposten kontrollierten den geregelten Ablauf mit Stempeln.
Eine Tour führte zuerst zum Rententurm, einem Domizil von Fritz von Unruh. Dann hatte man gründlich das Heinrich-Heine-Denkmal in der Taunusanlage zu betrachten, um es in formaler Hinsicht unterscheiden zu können von den wuchtigen Goethe- und Schiller-Darstellungen nahe der Kolbe-Plastik, die an Heine erinnert. Der Wohnsitz des 1984 gestorbenen Siegfried Kracauers in der Sternstraße war die nächste Station. Im weiteren Verlauf gedachte man in der Eschersheimer Anlage Anton Kirchners, der die erste fundierte Frankfurter Stadtgeschichte verfasste und am Petersfriedhof Johann Wolfgang Goethes Mutter, einer geborenen Textor. Als Reverenz an die kulturelle Gegenwart und auch an das "LiteraTurm"-Fest bot sich ein Plakat in der Buchhandlung Carolus an, das ein Werk von Michael Herl und Simone Jung annoncierte: "Von oben ist die Welt so klein".
Auf der Hauptwache nahm man den Struwwelpeter-Brunnen in den Blick und konnte sich noch einmal vergegenwärtigen, dass Heinrich Hoffmanns Longseller nur deshalb in der Welt ist, weil der Autor anno 1844 für seinen Sohn kein passendes Weihnachtsgeschenk zu kaufen fand. In den Auslagen der Buchhandlung Hugendubel lag etwas von Christian Dietrich Grabbe, der im Jahr 1836 in der Gegend einen Streit mit seinem Verleger Kettenbeil austrug. Die Konfrontation ging in die Literaturgeschichte ein. Der Name des Verlegers war an dieser Stelle entscheidend.
Im Folgenden ging es um die Gedenktafel zum Frankfurter Frieden von 1871 im Steinweg und den Vers auf der Friedrich-Stoltze-Büste: "Der lebte nicht vergebens, auch ihm sei Dank und Sang …". Ferner war der Beruf von Goethes in der Sandgass ansässigen Großvater, einem Schneidermeister und Weinhändler, zur Vervollständigung des Schnitzeljagd-Formulars erheblich. Mit sämtlichen Informationen, die, um nur noch die großen Namen zu nennen, Voltaire, Börne und Lessing mit topografischen Details in eine Verbindung führten, waren nach einundeinhalb Stunden die ersten Fußgänger am Ziel.
Sie wurden belohnt mit einem Gutschein für ein nobles Essen zu zweit. Als weitere Preise waren Karten für den Tigerpalast und das Schauspiel ausgelobt und schließlich auch Bücherpakete.