Stefan Aust „Zeitreise“: Erkenntnisdrang und Abstand

Stefan Aust stellt im Literaturhaus Frankfurt seine Autobiografie vor.
Wer nach Beispielen von Demokratie stärkendem Journalismus sucht, wird unweigerlich auf den Namen Stefan Aust stoßen. Der langjährige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ hat intensive investigative Recherchen dem Thema der Gewalt im Innern der Bundesrepublik gewidmet und Schlüsselwerke über den Baader-Meinhof-Komplex oder die Rolle des Staates im Kontext der NSU-Mordserien verfasst.
Soeben ist bei Piper unter dem Titel „Zeitreise“ seine Autobiografie erschienen. Der FAZ-Journalist Rainer Hank hat im Literaturhaus Frankfurt den Autor zu Passagen des Werkes befragt.
Zunächst irritiert Hank, dass Aust mit seinem Rückblick, der wenig Privates, aber viel Zeitgeschichtliches enthält, eine „Düsternis“-Geschichte der Bundesrepublik geschrieben habe. Stimme denn dieses negativ gezeichnete Bild über Deutschland, fragt er. Aust kontert: als Journalist sehe er es nicht als seine Aufgabe an, Erfolgsgeschichten zu zeigen, sondern Fehlern im System nachzuforschen.
Für diese Haltung war Aust auch bereit, persönliche Gefahren einzugehen oder Karrierechancen zu riskieren. Wie ein roter Faden zieht sich diese Haltung durch seinen Lebensweg, dessen Ziel es war, im Umfeld politischer Macht Realitäten ohne ideologischen Filter – wie er betont – sichtbar zu machen. Hank stellt Berichte über drei Personen ins Zentrum des Gesprächs. Es geht um Ulrike Meinhof, Rudolf Augstein und Angela Merkel.
Der Weg zu Ulrike Meinhof sei dem Zufall geschuldet, meint Aust. Verbindungen aus seiner Zeit als Herausgeber einer Schülerzeitung hätten ihn zur Zeitschrift „konkret“ geführt. Dort lernte er Ulrike Meinhof in einer Zeit kennen, in der sie sich noch nicht dem Terrorismus zugewandt hatte. Von ihrer Persönlichkeit kann Aust also aus erster Hand berichten. Hank nutzt diese Gelegenheit ausführlich und gibt der Veranstaltung, die live vor Ort und digital angeboten wurde, so den Charakter eines zeithistorischen Augenzeugenberichts.
Aust blickt auf die Geschichte seiner Zeit nicht nur aus innenpolitischer Perspektive. Als Mitarbeiter des Liberation News Service in New York hat er auch die Black- Panther-Bewegung in den USA verfolgt und aus nächster Nähe den Widerstand gegen Missstände erlebt. Nie habe er sich jedoch vereinnahmen lassen: „Ich wollte nicht in eine Situation geraten, in der ich jemanden abknalle oder ins Gefängnis komme“, sagt er mit Selbstironie. Den klugen Abstand zum eigenen Drang nach Erkenntnis hat er sich bis heute bewahrt.