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Rein in den Wirbel, rauf ins Hochgebirge

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Thomas Lehr stellt seinen Roman „Schlafende Sonne“ im Literaturhaus Frankfurt vor und erklärt ihn ein wenig.

Es spricht nichts dagegen, sich von Thomas Lehr eine Gebrauchsanleitung für seinen Roman „Schlafende Sonne“ geben zu lassen. Das Buch, sagte er im Literaturhaus Frankfurt, sei ein Wirbel, in den man sich hineinfallen lassen müsse.

Oder so: Er, der Autor, gehe einen Weg durchs 20. Jahrhundert und lade die Leser zur Hochgebirgstour ein.

Oder so: Der Ausgangspunkt für den Roman sei die Dreierkonstellation gewesen – eine Frau, ein älterer und ein jüngerer Mann, Milena, Rudolf, Jonas. Selbst das gibt Halt im Wirbel, im Hochgebirge und auch im dichten Netz aus Figuren, die gar nicht daran denken, zu erklären, wer sie noch gleich sind.

Die Hauptfigur, betonte Thomas Lehr, habe diesmal eine Frau sein sollen, woran der Moderator Björn Hayer die übliche, doch eher Autoren als im umgekehrten Fall Autorinnen gestellte Frage anschloss, wie er sich denn in eine Frau habe hineindenken können. Er kenne viele Frauen und unterhalte sich auch mit ihnen, so schwierig sei das nun nicht, sagte Lehr. Dass die kluge, vergnügte und nicht auf den Mund gefallene Malerin Milena dem Schriftsteller weniger Probleme bereitete als die Gesamtkonstruktion, glaubt man sofort. Es habe ganz harmlos angefangen, so Lehr. Wie die Dinge inzwischen aber liegen, ist „Schlafende Sonne“ der erste Teil einer Trilogie, der zweite soll in die Weimarer Republik führen, der dritte in die NS-Zeit.

Nicht nur weil das jetzt vorliegende Buch kurz vor dem Ersten Weltkrieg beginnt – wenn man das so sagen darf, bei einem Wirbel, dem Chronologie natürlich wesensfremd ist –, fiel immer wieder der Name Robert Musil. An diesem, so Lehr, einem seiner Hausgötter, bewundere er die Art, wie er Gesellschaft untersucht und sich bemüht habe, deren geistige Struktur zu durchdringen. Musil habe sich im „Mann ohne Eigenschaften“ dann verheddert, sei politisch vielleicht auch naiv gewesen. Gleichwohl versöhne er das Denken mit dem poetischen Schreiben und belege, was auch Lehr glaube und erreichen wolle: „Intellekt kann mitreißen.“

Zu hören war an diesem Abend im Literaturhaus eine schöne Vorwendeszene mit dem Fastnochkind Milena, dann eine Westfront-Szene aus dem Ersten Weltkrieg. In der Tonlage ein Kontrast, das Beschwingte neben dem trocken Unironischen. „Die Leute haben sich vielleicht abgewöhnt, dass Literatur es ganz ernst meinen könnte.“ Er aber nicht, erklärte Lehr.

„Schlafende Sonne“ steht auf der Liste der letzten sechs für den Deutschen Buchpreis nominierten Romane. Morgen ist Thomas Lehr schon darum schon wieder in der Stadt, zur großen (wie üblich ausverkauften) Shortlist-Lesung am selben Ort einen Stock tiefer.

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