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Preis der Leipziger Buchmesse: Die Hohlwelten und der Schmetterling

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Von: Judith von Sternburg

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Diesmal als Übersetzerin nominiert: Antje Rávik Strubel.
Diesmal als Übersetzerin nominiert: Antje Rávik Strubel. © Imago

Bei den verheißungsvollen Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse werden wie immer Äpfel, Birnen und Haselnüsse verglichen.

Naheliegendes und Überraschendes bei den Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse. Es kann gut sein, dass der österreichische Büchnerpreisträger (und Frankfurter Poetikdozent im kommenden Sommersemester) Clemens J. Setz die Auszeichnung zum zweiten Mal erhält, nach 2011, als er noch keine 30 war und mit dem Erzählungsband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ gewann. Mit seinem historischen Roman um einen unerwartet liebenswerten Hohlwelt-Theoretiker, „Monde vor der Landung“ (Suhrkamp), vertritt er nun als einziger auf der Belletristikliste das Buchmesse-Gastland Österreich.

Erwähnenswert ist das, weil das Literaturfrühjahr so enorm österreichisch ist (Arno Geiger, Michael Köhlmeier, Raphaela Edelbauer, Birgit Birnbacher, um nur ein paar zu nennen, über deren Nominierung sich auch keiner gewundert hätte). Im Rennen außerdem: Ulrike Draesner mit ihrer politisch wie psychologisch verschlungenen deutsch-polnischen Familiengeschichte „Die Verwandelten“ (Penguin), Angela Steidele mit ihrem ins 18. Jahrhundert führenden Roman „Aufklärung“ (Insel), Joshua Groß’ tollkühner (und immerhin in Österreich spielender) Roman „Prana Extrem“ (Matthes & Seitz Berlin) und Dinçer Güçyeters autobiografischer, hochpoetischer Band „Unser Deutschlandmärchen“ (Mikrotext), denn die großen Verlage bleiben nicht unter sich.

Der monumentale Wieland

Es kann gut sein, dass Jan Philipp Reemtsma mit seiner monumentalen Studie über den Dichter Christoph Martin Wieland (Beck) die Auszeichnung in der Kategorie Sachbuch gewinnt. Oder Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ziehen es durch mit ihrem bereits vielbeachteten Buch „Gekränkte Freiheit“ (Suhrkamp). Die Sachbuchsparte bietet nicht nur wie meist die schönsten Vergleiche von Äpfeln, Birnen und Haselnüssen, sie überrascht im Folgenden auch ernsthaft: mit Regina Scheers „Bittere Brunnen“ (Penguin), einer Biografie über die deutsch-jüdische Sozialistin Hertha Gordon-Walcher, mit Simone Schlindweins Buch „Der grüne Krieg. Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird – und was der Westen damit zu tun hat“ (Ch. Links) und erst recht mit Birgit Weyhes Comicbiografie „Rude Girl“ (Avant). Eine Nominierung, mit der die Jury des Leipziger Preises die beim Deutschen Buchpreis in Frankfurt immer etwas engen Grenzen infrage kommender Titel erneut aufregend erweitert.

Es kann gut sein, dass Antje Rávik Strubel, Gewinnerin des Deutschen Buchpreises von 2021, in der Kategorie Übersetzung ausgezeichnet wird – nominiert ist sie für ihre Übertragung von Monika Fagerholms Roman „Wer hat Bambi getötet?“ (Residenz) aus dem Schwedischen. Frauen bleiben unter sich: Nicole Nau ist für ihre Übersetzung des Buchs „Das Bett mit dem goldenen Bein. Legende einer Familie“ (Mare) von Zigmunds Skujinš (1926-2022) nominiert. Brigitte Oleschinski und Osman Yousufi haben Lina Atfahs Gedichte im Band „Grabtuch aus Schmetterlingen“ (Pendragon) aus dem Arabischen übersetzt. Johanna Schwering hat den Roman „Die Cousinen“ (dtv) aus dem argentinischen Spanisch übersetzt, den Aurora Venturini (1922-2015) mit 85 Jahren schrieb. Und von Katharina Triebner-Cabald stammt die Übertragung der „Vertraulichkeiten“ (Akono) des schweizer-kamerunischen Autors Max Lobe. Vielleicht die originellste Übersetzungsliste seit Bestehen des Preises, man ist beschämt und neugierig.

Verleihung ist am Messedonnerstag, diesmal dem 27. April, wie immer in der Glashalle auf dem Leipziger Messegelände. ith

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