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Peter Swanson: „Neun Leben“ – Bei Agatha Christie gelernt

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Von: Sylvia Staude

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Gruselige Post, neun Menschen bekommen bei Peter Swanson den gleichen Brief ...
Gruselige Post, neun Menschen bekommen bei Peter Swanson den gleichen Brief ... © Matthew Busch/afp

Auch ein Spiegel der US-Gesellschaft heute: Peter Swanson und sein flotter Wer-wird-es-wieder-tun-Krimi „Neun Leben“.

Agatha Christies bei seiner Erstveröffentlichung 1939 anders betitelter Krimi „And Then There Were None“ („Und dann gab’s keines mehr“) ist nicht nur Beleg einer einst selbstverständlichen Gedankenlosigkeit, was das N-Wort betrifft, er wurde auch zu ihrem erfolgreichsten Buch, ja, mit mehr als 100 Millionen Exemplaren zum meistverkauften Kriminalroman weltweit. So raffiniert ist der Plot, so unerbittlich spannend die Geschichte, bei der zehn Leute auf eine einsame Insel gelockt, um dort abgemurkst zu werden, als dass er nicht inzwischen vielfach variiert worden wäre. Der US-Amerikaner Peter Swanson nimmt in „Neun Leben“ unverhohlen Bezug, lässt sogar einen der Ermittler sich den Christie-Roman besorgen und gleich mehrfach lesen.

Neun Menschen (nein, nicht zehn) erhalten bei ihm die gleiche Liste geschickt, ganz altmodisch mit der Post, eine Liste, auf der auch ihr Name steht. Sowie acht weitere Namen, die ihnen nichts sagen. Da gleich der erste Tote den Brief bei sich hat, ist die Polizei durchaus nicht langsam mit Schlüssen. Und kann doch nicht verhindern, dass es weitere Opfer gibt. Sie muss auch erstmal den richtigen Jay Coates oder Matthew Beaumont finden, da gibt es in einem großen Land wie den USA ja nicht nur einen. Und dann: was kann diese neun Menschen, die sich alle nicht zu kennen scheinen, bloß verbinden?

Die neun werden auch in ihrem Alltag vorgestellt, Swanson macht sie zu glaubwürdigen, komplexen Figuren: Die Englischprofessorin Caroline, die Gedichte liebt und sich vorsichtig anfreundet mit dem Singer-Songwriter Ethan, der ebenfalls auf der Liste steht; Bedienung Alison, die nichts dagegen hat, sich aushalten und in den Urlaub einladen zu lassen; Krankenpfleger Arthur, der um seinen Mann trauert; FBI-Agentin Jessica, die in der Runde der neun nicht die große Heldin sein wird, wie man anfangs vermuten könnte. Aber immerhin wird sie anderen den richtigen Anstoß geben.

Das Buch

Peter Swanson: Neun Leben. Kriminalroman. A. d. Engl. von Fred Kinzel. Oktopus bei Kampa, Zürich 2023. 334 S., 18,90 Euro.

Spiegel der US-Gesellschaft

Vergangenes Jahr erst erschien der Roman im Original, so dass er durchaus auch ein Abbild der zeitgenössischen US-amerikanischen Gesellschaft ist. Vom Geschäftsmann, der sich eine Geliebte hält, von der Geliebten, die den Deal ganz okay findet, bis zum adoptierten Kind, das es zur Agentin gebracht hat, und bis zum Krankenpfleger oder glücklosen Schauspieler. Die einen haben Angst, als sie von der Liste erfahren – und dass es schon zwei Tote gibt. Die anderen, so ist der Mensch, werfen sie achtlos weg, rufen die Polizei nicht zurück, wollen gar nicht wissen, was der Quatsch soll.

„Neun Leben“ ist die Abwandlung eines Whodunnits, in dem es darum geht zu erraten, wer es tun wird – oder, oh nein, gerade wieder getan hat. Ein unterhaltsamer Krimi, ideal für eine Zugfahrt, ein Roman, durch den man sich nicht unter Niveau unterhalten fühlt.

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