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Neue Dimensionen

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© Oetinger Verlag

Roman und Sachbuch zugleich: David Chotjewitz führt seine Leser ein in Leben und Denken Albert Einsteins

Von JÜRGEN STAHLBERG

Die Entwicklung der theoretischen Physik Anfang des 20. Jahrhunderts gehört zum Spannendsten der gesamten Wissensgeschichte der Menschheit. Seltsame Eigenschaften des Lichts und elektromagnetische Wellen waren entdeckt worden. Sie ließen sich mit der alten mechanischen Physik von Newton nicht erklären. Ein neues Weltbild musste her. Max Planck entwickelte die Quantentheorie. Rutherford und Bohr entwarfen das Atommodell. Der Paukenschlag aber kam von Albert Einstein. In einem einzigen Jahr, 1905, veröffentlichte er Aufsätze, die gleich drei grundlegend neue Theorien enthielten: die Lichtquantentheorie, die Relativitätstheorie und die Energie-Massetheorie. Einstein war ein Nobody, ein kleiner Angestellter des Patentamts in Bern. Aber schon bald erhielt er eine Professur an der Universität Berlin, die damals eine der weltweit anerkanntesten Elite-Unis war.

Aber es gibt auch eine Schattenseite dieser neuen Physik. Sie machte Hiroshima möglich, die erste Atombombe. Und bis heute ist nicht geklärt, ob Heisenberg die Atombombe für Hitler nicht bauen wollte und nur so tat als ob, oder ob er wollte, aber - unter anderem wegen des ständigen Stromspannungsabfalls in Kriegsdeutschland - nicht konnte.

Das Einstein-Buch von David Chotjewitz ist eine gewagte Parallelaktion dreier Erzählweisen. Es ist erstens eine Einstein-Biografie. Allerdings sind viele Szenen und Dialoge ausgedacht, wenn auch plausibel. Es ist also, zweitens, ein Roman. Und drittens ist es ein Sachbuch, eine kleine Einführung in die theoretische Physik.

Ein bisschen viel auf einmal? Ja und nein. "Die Einsteinschen Theorien", schreibt Chotjewitz, "sind in ihren Grundzügen durchaus verständlich. Sie beruhen auf einfachen, für jeden nachvollziehbaren Beobachtungen und Annahmen". Das ist nett gemeint, aber Unsinn. So ist die Weltformel e-gleich-m-mal-c-quadrat (e für Energie, m für Masse und c ist die Lichtgeschwindigkeit) zwar einfach in ihrer Gestalt. Ihre Bedeutung jedoch ist hoch komplex. Sie meint nicht schlicht, dass unser Fuß umso mehr schmerzt, je größer die Geschwindigkeit ist, mit der ein Stein auf ihn fällt. Das weiß unser gesunder Menschenverstand auch ohne Einstein. Ebenso, dass alles relativ ist. Einstein ging es hierbei eher um absolute Aussagen trotz dieser Relativität. Das führt bei ihm dazu, dass Raum und Zeit unter bestimmten Bedingungen ineinander fallen und eine neue Dimension hervorbringen, von der Einstein selbst sagte, er könne sie sich zwar denken, aber nicht wirklich vorstellen.

Natürlich weiß Chotjewitz um diese Schwierigkeiten. Aber er bemüht sich redlich. Häufig benutzt er Bilder, die zwar nicht von ihm sind, sich aber in der Darstellung theoretischer Physik bewährt haben. Gleichwohl, er ist kein Physiker und war erst Anfang 20, als er dieses Buch schrieb. Das ist jedoch auch ein Vorteil. Er hat eine nassforsche Art, und seine Begeisterung ist ansteckend. Das ist wohl auch der Grund, warum der Carlsen Verlag dieses bereits vor Jahren im (untergegangenen) Alibaba Verlag erschienene Buch neu aufgelegt hat. Es ist nicht so glatt wie viele andere Jugendsachbücher, es ist anspruchsvoll und angenehm chaotisch, was die Lektüre abwechslungsreich macht und zum eigenen Nachdenken anregt.

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