Michel Houellebecq oben ohne – aber was hat das zu bedeuten?

In einem im Internet aufgetauchten Film-Trailer zeigt der französische Starautor Michel Houellebecq viel Haut. Seine eigene. Aber was, rätseln französische Medien, will er uns damit sagen?
Ist das nun ein „Halb-Porno“ oder ein „Quasi-Porno“?, fragt die Pariser Presse mit Sinn für die Nuance. Ein Softporno ist es jedenfalls nicht, wenn man auf den knapp zweiminütigen Filmtrailer abstellt, den das niederländische Filmerkollektiv „Keeping it real art critics“ (Kirac) ins Internet gestellt hat.
Der Hauptdarsteller scheint nämlich der französische Schriftsteller Michel Houellebecq zu sein. Mit zerzausten Haarsträhnen und tränenden Augen präsentiert sich der 66-jährige Exzentriker oben ohne, wenn man von einem Nikotinpflaster auf der linken Brust absieht. Selbiges scheint nicht zu wirken: Houellebecq zerkaut seine Zigarette im Mundwinkel regelrecht.
Zur Ablenkung folgt nun eine schwangere Frau, die sich vor dem Spiegel entkleidet, gefolgt von Erbrechen im Wartsaal und einer kruden Geburt. Die Offstimme eines Mannes erzählt, er fürchte sich vor der Geburt seines zweiten Kindes und vor Weihnachten. Michel Houellebecq habe ihm geschrieben, ihm gehe es ebenso. Seine neue Frau habe ihm deshalb für die Flitterwochen in Marokko ein paar Prostituierte organisiert. Aus Angst vor einer Entführung durch Islamisten sei das Paar aber wieder von der Reise nach Nordafrika abgekommen.
Dafür habe er für Houellebecq ein paar Amsterdamer „Mädchen“ aufgetrieben, informiert der Off-Erzähler zu dezenten Klavierakkorden. Endlich zeigt der Trailer, wie der französische Bestsellerautor, nun adrett gekämmt im Hotelbett, eine dezent tätowierte Frau in die Arme nimmt. Bis ein Bildschnitt das Vorspiel abbricht und mitteilt, die Online-Premiere finde am 11. März 2023 statt.
Mehr sagt der Trailer nicht. In den sozialen Medien fragen viele, ob das nun Houellebecqs erster Pornodreh sei, nachdem er schon in seinen Büchern über seine sextouristischen Reisen berichtet habe. Die Zeitung „La Dépêche“ gibt sich „schockiert“, „Libération“ befindet dagegen, „Michel Houellebecq in einem Pornofilm“ sei nur „normal“.
Eine Abstinenz-Kampagne?
Auf Twitter fragt eine Forumsteilnehmerin bissig, ob der Film mit der „alten kranken Schildkröte“ – wie sich Houellebecq einmal selber beschrieben hatte – wohl eine „Werbekampagne für sexuelle Abstinenz“ sei. Niemand scheint dagegen die Szene bemerkt zu haben, in der der griesgrämige Autor mitten im Pornodreh offenbar spontan lachen muss.
Houellebecq jedenfalls scheint mit dem Streifen zu seinen bewährten Werten Prostitution, Exhibitionismus und Pornographie zurückzukehren. Anfangs Januar hatte er noch eine neue Breitseite gegen den Islam gesetzt: Er erklärte, der Terroranschlag auf das Bataclan-Lokal von 2016 werde sich „umkehren“, wenn die Immigrationsgegner zu den Waffen griffen. Diese Aussage nahm er in der Folge zurück, damit die Pariser Moschee ihre bereits eingereichte Gerichtsklage gegen Houellebecq wegen Aufruf zum Rassenhass ihrerseits fallenließ. Ob Houellbecq seinem Anspruch, ein gesellschaftspolitischer Prophet zu sein, mit seinen Bettgeschichten einen guten Dienst erweist, bleibe einmal dahingestellt. Antwort am 11. März.